Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausübung des Weisungsrechts bei Schichtplaneinteilung nach billigem Ermessen. Verstoß gegen billiges Ermessen bei Herausnahme des Arbeitnehmers aus dem Schichtplan wegen bevorstehender Arbeitsunfähigkeit. Annahmeverzugslohn oder Schadensersatz bei unbilliger Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 GewO. Der Schutzbereich des billigen Ermessens i.S.d. § 106 GewO. Entschädigung in Geld als Schadensersatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erfolgt der Einsatz eines Arbeitnehmers aufgrund eines durch den Arbeitgeber zu erstellenden Schichtplans, muss die Planung als Ausübung des Weisungsrechts billigem Ermessen entsprechen, § 106 GewO.

2. Teilt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vor Erstellung eines Schichtplans mit, dass aufgrund einer anstehenden Operation für einen bestimmten Zeitraum eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu erwarten ist und plant der Arbeitgeber den Arbeitnehmer daraufhin für diesen Zeitraum nicht mit Schichten ein, kann dies unbillig sein. Dabei kommt es darauf an, ob und inwieweit ohne die Mitteilung eine Einplanung zu erwarten war.

3. Ist die Schichtplanung als Weisung unbillig, steht dem Arbeitnehmer entweder Annahmeverzugslohn oder ein Schadenersatzanspruch zu (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2017, - 10 AZR 330/16 - BAGE 160, 296-324, juris).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Billigkeitskontrolle beinhaltet eine zwingend eingreifende richterliche Inhaltskontrolle gegen den Missbrauch privatautonomer Gestaltungsmacht. Mit dem Begriff der Billigkeit soll Austauschgerechtigkeit im Einzelfall erreicht werden. Das erfordert eine umfassende Analyse und Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände. Zu beachten sind etwa folgende Kriterien billigen Ermessens: Die Risikoverteilung zwischen den Vertragspartnern, die beiderseitigen Bedürfnisse, wirtschaftliche Interessen oder Belastungen der Parteien, soziale Gesichtspunkte (Lebensverhältnisse, Familie, Kinder etc.), aber auch die Belange des Betriebs.

2. Derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu entschädigen.

 

Normenkette

GewO § 106; BGB §§ 315, 275, 280, 283, 251 Abs. 1, §§ 612a, 615; EFZG § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Bautzen (Entscheidung vom 31.03.2022; Aktenzeichen 6 Ca 6244/21)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 31.03.2022 - Az. 6 Ca 6244/21 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 246,77 Euro brutto nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte zu 56 %, die Klägerin zu 44 %.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien stehen zuletzt noch Zahlungsansprüche der Klägerin für die Zeit von Donnerstag, den 20.05.2021, bis Mittwoch, den 26.05.2021, im Streit.

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der ambulanten Pflege und Betreuung je 24 Stunden an 7 Tagen die Woche tätig. Es besteht ein Betriebsrat. Seit Juli 2018 sind die Parteien arbeitsvertraglich verbunden. Gemäß § 3 des Arbeitsvertrages vom ...2021 wird die Klägerin wird mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Pausen richten sich nach von der Beklagten zu erstellenden Dienst- bzw. Einsatzplänen und den betrieblichen Erfordernissen. Die monatliche, verstetigt gezahlte Grundvergütung beträgt 1.901,-Euro brutto. Die Beklagte legt dem ein monatliches Stundensoll von 173,17 Stunden zugrunde (geht aber im Schriftsatz vom 10.02.2022, dort Seite 2 Mitte, Bl. 58 PA, von 171,33 Stunden aus, auf Seite 4, Bl. 60 PA, dann wieder von 173,17 Stunden). Gemäß § 5 des Arbeitsvertrages ist die Vergütung monatlich jeweils zum letzten Bankarbeitstag fällig. In § 9 des Arbeitsvertrages wird hinsichtlich einer Ausschlussfrist auf § 14 AVR ASB verwiesen.

Die konkrete Arbeitszeit der Klägerin wird in mit dem Betriebsrat abgestimmten Dienstplänen monatlich im Voraus festgelegt. Es bestehen keine festen Abstände oder sogen. Schichträder.

Für den o.g. Zeitraum hat die Klägerin noch vor Erstellung des Dienstplans für den Monat Mai 2021 dem Fahrdienstleiter mitgeteilt, dass sie voraussichtlich aufgrund einer geplanten Zahnoperation arbeitsunfähig sein werde. Er nahm in den dann erstellten Soll-Dienstplan (vorgelegt als Kopie Bl. 44 PA) die Bemerkung "AU" auf. Der Ist-Dienstplan enthält bei den fraglichen Tagen dagegen den Eintrag "wunschfrei". Entgelt bzw. Entgeltfortzahlung wurde für diesen Zeitraum nicht geleistet. Die Klägerin war inf...

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