Rz. 2
Das Alg ist die bedeutendste Sozialleistung der Arbeitslosenversicherung. Insbesondere bei der Bestimmung der Höhe der Leistung muss der Gesetzgeber dem Sozialstaatsgebot genügen. Diesen Anforderungen kommt er nur nach, wenn er dem Arbeitslosen einen angemessenen Ersatz für den Ausfall gewährleistet, den dieser dadurch erleidet, dass er gegenwärtig keinen (tariflich bezahlten) Arbeitsplatz findet. Damit hat das Alg Lohn- bzw. Entgeltersatzcharakter. Der Gesetzgeber ist aber nicht verpflichtet, dem Arbeitslosen die Aufrechterhaltung seines bisherigen Lebensstandards in vollem Umfang zu ermöglichen. Das ist durch die Arbeitslosenversicherung auch nicht beabsichtigt. Dem Gesetzgeber steht ein weiter Spielraum zur Verfügung. Von nicht unerheblicher Bedeutung ist letztlich der Ausgleich von Beitragseinnahmen und Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung. Damit kommen auch die nicht unerheblichen versicherungsfremden Leistungen in die Diskussion, die die Bundesagentur für Arbeit kraft gesetzlicher Vorschriften aus Beitragsmitteln auszahlen muss. Dieser Gesichtspunkt gewinnt in der 19. Legislaturperiode wieder an Bedeutung, weil der Arbeitslosenversicherungsbeitrag nach Ansparung einer dem Rücklagenvolumen vor der Finanzkrise entsprechenden Betrag abgesenkt worden ist.
Rz. 3
Für die Bestimmung der Höhe des Alg ist insbesondere von Bedeutung, dass die Arbeitslosenversicherung nicht notwendig eine Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung fordert. Der Spielraum des Gesetzgebers geht so weit, dass es die Ordnung der Arbeitslosenversicherung rechtfertigt, sogar Arbeitsentgelte solcher Arbeitnehmer der Beitragspflicht zu unterwerfen, die wegen des Bezuges anderweitiger Sozialleistungen im Falle der Arbeitslosigkeit regelmäßig überhaupt kein Alg erhalten können (vgl. § 156). Allerdings wacht das BVerfG mit seiner Rechtsprechung über die Einhaltung der von ihm selbst abgesteckten Grenzen.
Rz. 4
Charakteristisch für das Alg sind neben einer kurzen Anwartschaftszeit ein relativ kurzer Bemessungszeitraum und eine üblicherweise kurze Leistungsbezugszeit. Die Regelanwartschaftszeit beträgt ein Jahr und ist für Sonderfälle mit überwiegend kurzfristigen Beschäftigungen bis zu 10 Wochen Dauer auf 6 Monate verkürzt. Die Regelanspruchsdauer ist auf maximal ein Jahr begrenzt, lediglich für ältere Arbeitnehmer kann sie je nach zurückgelegten Versicherungszeiten bis zu 2 Jahre umfassen. Bei verkürzter Anwartschaftszeit ist auch die Dauer des Anspruchs auf Alg entsprechend geringer.
Rz. 5
Grundgedanke der Vorschriften über die Höhe des Alg ist der teilweise Ersatz des Ausfalls an Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose voraussichtlich erzielen würde, wenn er eine Beschäftigung hätte. Der Rückgriff auf die Verhältnisse in der Vergangenheit übernimmt lediglich Indizfunktion; es wird für angenommen, dass sich die Verhältnisse jedenfalls in nächster Zeit nicht wesentlich ändern werden. Die Betrachtung zukünftiger Verhältnisse und die Notwendigkeit, jährlich millionenfachem Nachsuchen nach der Versicherungsleistung kurzfristig entsprechen zu müssen, erfordert den Aufbau eines Leitbildes, das außergewöhnliche Verhältnisse außer Betracht lässt, soweit es das stetige Verlangen nach Einzelfallgerechtigkeit zulässt. Der Gesetzgeber betrachtet zunächst den gewöhnlichen Arbeitnehmer im Sinne einer Typisierung und legt dem Alg die Lohnbedingungen zugrunde, unter denen der Arbeitslose zuletzt gearbeitet hat. Dadurch werden für die Arbeitslosenversicherung bestimmte, in wesentlichen Elementen gleich geartete Sachverhalte normativ zusammengefasst, Einzelfallbesonderheiten, die eigentlich eine unterschiedliche Behandlung erfordern, werden (jedenfalls an dieser Stelle) vernachlässigt. Dies geht mit der gesetzlichen Vermutung einher, dass diese Verhältnisse den Arbeitnehmer auch bei Wiedereingliederung in ein neues Beschäftigungsverhältnis erwarten. Die Übertragung der Verhältnisse aus der Vergangenheit in die Zukunft gebieten eine zeitnahe Verknüpfung; prinzipiell sind deshalb die zuletzt vor Eintritt der Arbeitslosigkeit maßgebenden Bedingungen bestimmend. Damit wird das Lebensstandardprinzip aufgestellt, wonach der teilweise Ausgleich des Lohnausfalls in entsprechendem Umfang den bisherigen Lebensstandard des Arbeitnehmers erhält. Auch in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die existenzsichernde Natur des Alg eine beschleunigte Feststellung der Leistung und eine rasche Auszahlung erfordert (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 26.2.2010, L 1 B 23/09 AL).
Rz. 6
Die kurzfristigen Komponenten schlagen sich bei den Geschehnissen auf dem Arbeitsmarkt, die bei fortschreitender Technik, ständiger Innovation und zunehmender Globalisierung stetige Umwälzungen widerspiegeln, in einer hohen Fluktuation beim Zu- und Abgang aus Arbeitslosigkeit nieder. Diese Effekte verstärken sich durch die begonnene und rasant fortschreitende Digitalisierung, die weitreichende Automatisierungsprozesse auslöst. In der Arbeitslosenversicherung kann jedoch ledigli...