Rz. 22
Aus Anlass der Eheschließung werden im Regelfall die Steuerklassen I, II in eine den Ehegatten vorbehaltene Steuerklassenkombination III/V, IV/IV oder V/III (bzw. bei Wahl des Faktorverfahrens IV-Faktor/IV-Faktor) geändert. Die Lohnsteuerklassenänderung kann also ohne Auswirkungen bleiben (Änderung von Lohnsteuerklasse I nach IV), sich zugunsten des Arbeitslosen auf das Alg auswirken (Änderung von Lohnsteuerklasse I oder II nach III), aber auch ein geringeres Alg zur Folge haben (Änderung von Lohnsteuerklasse I oder II nach V). Beim Faktorverfahren wird die Lohnsteuer den tatsächlichen Einkommensverhältnissen der jeweiligen Ehepartner angepasst. Beziehen beide Ehegatten Alg, kann sich eine Kombination der dargestellten Rechtsfolgen ergeben. Eine der Eheschließung nachfolgende Änderung der Lohnsteuerklassen wirkt auf den Tag der Eheschließung zurück und ist ab diesem Tag auch für das Alg maßgebend.
Rz. 23
Schwierigkeiten ergeben sich nur für den Fall einer rückwirkenden Verminderung des Alg durch die Lohnsteuerklassenänderung; denn die Ehegatten sind im Kalenderjahr der Eheschließung nicht zu einer Änderung der Lohnsteuerklassen verpflichtet. Gegen den Arbeitslosen kann kein Schuldvorwurf wegen einer Überzahlung des Alg erhoben werden, wenn er eine rückwirkende Lohnsteuerklassenänderung mit ungünstiger Rechtsfolge für sein Alg unverzüglich anzeigt und damit seinen Mitwirkungspflichten (§§ 60 ff. SGB I) nachkommt. Während eine Änderung für die Zukunft verpflichtend ist, weil insoweit eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Arbeitslosen eingetreten ist (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X), erscheint eine teilweise Aufhebung für den vor der Steuerklassenänderung liegenden Zeitraum der Vergangenheit unbillig. Im Regelfall wird auch keine der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorliegen; denn der Arbeitslose hat in diesen Fällen durch die Steuerklassenänderung kein das Alg minderndes Einkommen erzielt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Die Ehegatten führen die Lohnsteuerklassenänderung regelmäßig deshalb durch, weil sie sich davon eine im Steuerrecht angelegte Vergünstigung versprechen. Das gilt im Prinzip auch für das Faktorverfahren. Die Vorläufigkeit der Steuerklassenkombination in Bezug auf die letztlich geschuldete Steuer für das Kalenderjahr im Steuerrecht kann den Arbeitslosen nach dem Arbeitsförderungsrecht nicht vorgeworfen werden. Schon deshalb scheidet grob fahrlässige Unkenntnis vom Tag der Eheschließung bis zur Änderung der Lohnsteuerklassen aus (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Dem Arbeitslosen wird der überzahlte Betrag deshalb stets zu belassen sein. Dieses Ergebnis wird sich auch nicht ändern, wenn beide Ehegatten Leistungen beziehen und der andere wegen § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X von der Lohnsteuerklassenänderung rückwirkend profitiert. Allerdings hat das LSG Rheinland-Pfalz in einem Fall der Änderung der Lohnsteuerklasse anlässlich der Eheschließung auf Lohnsteuerklasse V ab demselben Tag in einem Rechtsstreit über die Erstattung überzahlter Leistungen entschieden, dass die Betroffene zumindest in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gewusst habe, dass ihr die bewilligte Leistung nicht mehr in dieser Höhe zustand (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 20.1.2006, L 1 AL 106/05).
Rz. 24
Eine Steuerklassenänderung liegt auch vor, wenn die Ehegatten eine der Steuerklassenkombinationen III/V oder IV/IV (ggf. mit Faktor) erst mit Wirkung vom Beginn des auf die Eheschließung folgenden Kalenderjahres eintragen lassen. Nehmen sie diese Änderung jedoch im Jahr der Eheschließung vor und ändern später die Steuerklassenkombination, liegt ein Steuerklassenwechsel vor, der nach Abs. 3 zu bewerten ist.