BAG, Urteil v. 19.12.2019, 8 AZR 511/18
Die Rechtskraft einer Entscheidung, mit der eine Kündigungsschutzklage abgewiesen wurde, schließt grds. etwaige Ansprüche des Arbeitnehmers auf Ersatz entgangenen Verdienstes sowie entgangener Rentenansprüche aus. Eine Ausnahme kann sich bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung i. S. v. § 826 BGB durch den Kündigenden ergeben.
Sachverhalt
Dem Verfahren vorgelagert war ein langjähriger Rechtsstreit, der sich über viele Instanzen zog. Der katholische Kläger, der viele Jahre bei der beklagten Kirchengemeinde (Beklagte zu 1.) als Organist, Chorleiter und Dekanatskantor beschäftigt war, trennte sich im Jahre 1994 von seiner Ehefrau. Er ging eine neue Partnerschaft ein, aus der auch ein Kind hervorging. Die Beklagte zu 1., die hiervon erfahren hatte, kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.3.1998. Die Kündigung wurde damit begründet, dass der Kläger gegen den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe verstoßen und somit seine Loyalitätsobliegenheiten ihr gegenüber grob verletzt habe. Die hiergegen erhobene, durch mehrere Instanzen geführte Kündigungsschutzklage endete im Jahr 2000 mit einer Klageabweisung, eine dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an.
Der Kläger erhob im Jahr 2003 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland. Der EGMR stellte mit Urteil vom 23.9.2010 einen Verstoß gegen Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) fest; dem Kläger wurde mit Urteil vom 28.6.2012 gemäß Art. 41 EMRK eine Entschädigung i. H. v. 40.000,00 EUR zugesprochen. Dagegen war eine vom Kläger im Jahr 2010 erhobene Restitutionsklage gegen die Entscheidung im Kündigungsschutzprozess vor dem LAG und BAG erfolglos und erneut nahm das BVerfG die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Ebenfalls erfolglos blieb eine von ihm im Jahr 2013 erhobene Klage auf Wiedereinstellung.
Nun begehrte der Kläger von der Beklagten die Zahlung der Vergütung, die ihm aufgrund der Kündigung zum 31.3.1998 entgangen sei, sowie einen Ausgleich entgangener Rentenansprüche als Schadensersatz. Er begründete dies u. a. damit, dass im Kündigungsschutzprozess ein klares Fehlurteil gefällt worden sei, da der geltend gemachte Kündigungsgrund von der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO) offensichtlich nicht umfasst sei, was seit deren Inkrafttreten auch für jedermann offensichtlich gewesen sei. Durch das Verhalten und Vorbringen im Kündigungsschutzprozess hätten die Beklagten in sittenwidriger Weise bewirkt, dass die Kündigungsschutzklage abgewiesen worden sei.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das BAG begründete seine Entscheidung damit, dass in Fällen, in denen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig feststehe, Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz entgangenen Entgelts sowie entgangener Rentenansprüche gerichtet seien, grds. nur dann in Betracht kämen, wenn eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i. S. v. § 826 BGB durch den Kündigenden vorläge. Diese Voraussetzungen lagen hier jedoch nicht vor.