Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit - später dem Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit - wurde zum 1.1.1999 ein Kriterienkatalog zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit eingeführt. Kernstück des § 7 Abs. 4 SGB IV war eine Vermutungsregelung zu Lasten des Beschäftigten. Mit Geltung ab 1.4.2003 wird auf Drängen der unionsregierten Bundesländer der Kriterienkatalog und die Vermutungsregelung ersatzlos gestrichen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die "Problematik der Scheinselbständigkeit" entfällt.
Die bisher in § 7 Abs. 4 SGB IV enthaltenen Abgrenzungskriterien entsprechen den Kriterien, die das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung auch weiterhin zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit heranzieht. Entfallen ist demnach nur die Vermutungsregelung. Zukünftig gilt der Amtsermittlungsgrundsatz.
Für die Praxis ist die Streichung damit von geringer Bedeutung. Im Folgenden werden der Deutlichkeit halber die Abgrenzungskriterien am Aufbau der bisherigen gesetzlichen Regelung geschildert.
3.1 "Scheinselbständigkeit"
3.1.1 Zweistufige Prüfung
Die Abgrenzung ist zweistufig vorzunehmen.
In einem ersten Schritt wird der persönliche Geltungsbereich des Sozialversicherungsrechts ausgedehnt. "Selbständige" - ausgenommen Handelsvertreter - gelten unter bestimmten Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des BSG als "Beschäftigte" im Sinne des SGB IV und sind somit in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig.
Daneben wurde in § 2 Nr. 9 SGB VI der Begriff des "arbeitnehmerähnlichen Selbständigen" geschaffen. Erfüllt ein "Selbständiger" zwar nicht die Kriterien des § 7 Abs. 4 SGB IV, sondern nur die etwas weiter gefaßten Kriterien des § 2 Nr. 9 SGB VI, so ist er allein in der Rentenversicherung versicherungspflichtig, bleibt aber in den übrigen Zweigen der Sozialversicherung versicherungsfrei.
3.1.2 Amtsermittlungsgrundsatz
Im Unterschied zur bisherigen Regelung der gesetzlichen Vermutung sog. stellt das Gesetz nun klar, dass im Wege der Amtsermittlung nach den von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden ist, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt (§ 7 a Abs. 2 SGB IV n. F.).
3.1.3 Die Abgrenzungskriterien der Rechtsprechung zur Scheinselbständigkeit
Zu den bisher in § 7 Abs. 4 enthaltenen inhaltlich weitergeltenden Abgrenzungskriterien ist Folgendes festzustellen:
Die Person beschäftigt im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig im Monat 325 EUR übersteigt
Die Ausnahmeregelung für Familienangehörige ist entfallen. Der Gesetzgeber hatte sich an dieser Stelle den Bedenken aus Art. 3 Abs. 1, Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 GG gebeugt. Klargestellt wurde, dass das Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers 325 EUR/Monat übersteigen muss.
Beschäftigte, die im Privathaushalt und somit nicht im Zusammenhang mit der zu beurteilenden Tätigkeit beschäftigt werden, bleiben bei der Beurteilung unberücksichtigt.
Im Übrigen kommt es auf die Art der Aufgaben, die die im Zusammenhang mit der zu beurteilenden Tätigkeit beschäftigten Arbeitnehmer ausüben, nicht an. Für die Berücksichtigung ausreichend sind bereits z.B. sozialversicherungspflichtige Reinigungskräfte für Büroräume.
Kritik:
Das Abgrenzungskriterium lässt offen, ob tatsächlich eigene Mitarbeiter beschäftigt werden müssen, oder ob die vertraglich vereinbarte Berechtigung, eigene Mitarbeiter einzustellen, ausreicht.
Nach der Rechtsprechung des BAG zum Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsrechtes spricht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses, wenn der Verpflichtete berechtigt ist, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Damit stehe ihm ein eigener Gestaltungsspielraum zu. Hebt man dagegen auf die tatsächlichen Verhältnisse ab, wie aus dem Wortlaut gefolgert werden könnte, so besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber vier Jahre rückwirkend für die Sozialversicherungsbeiträge haftet, nur deshalb, weil der Auftragnehmer sich entschließt, die Tätigkeit selbst auszuführen.
Demnach sollte die vertraglich vereinbarte Berechtigung, eigene Mitarbeiter einzustellen, ausreichen, um das Kriterium zu entkräften.
Die Person ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig.
Auf die Dauerhaftigkeit – statt bisher die Regelmäßigkeit – der Tätigkeit wird abgestellt, um Existenzgründungen nicht zu erschweren. Bei der Beurteilung der Dauerhaftigkeit ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angezeigt.
Das Kriterium greift einen wichtigen Kritikpunkt auf, der vor allen Dingen projektbezogene Tätigkeiten betraf.
Nach der Gesetzesbegründung waren auch nacheinander liegende Tätigkeiten für verschiedene Auftraggeber ausreichend. Wenn der Existenzgründer bei seinem ersten Auftrag den beabsichtigten späteren Wechsel zu anderen Auftraggebern darlegt, so wird wohl allein der Plan des Existenzgründers, unternehmerisch tätig zu werden, mit berücksichtigt werden können. Dokumentieren sollte der Antragsteller seine Absicht diesbezüglich vor allem durch ein unter...