Rz. 10
In Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 sind einzelne Leistungen zur Teilhabe an Bildung aufgeführt, die an Menschen mit Behinderungen erbracht werden. Der Katalog in Nr. 1 bis 4 ist nicht abschließend. Auch andere Leistungen können über § 75 gewährt werden, sofern diese erforderlich sind, um Menschen mit Behinderungen darin zu unterstützen, Bildungsangebote gleichberechtigt wahrzunehmen.
2.2.1 Hilfen zur Schulbildung (Satz 1 Nr. 1)
Rz. 11
Hilfen zur Schulbildung kommen in Betracht, wenn die Unterstützung erforderlich und geeignet ist. Satz 1 Nr. 1 entspricht im Wesentlichen dem § 54 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i. V. m. § 12 der Eingliederungshilfeverordnung. Danach dienen die unterstützenden Hilfen zur Schulbildung dazu, dem behinderten Menschen den Schulbesuch zu ermöglichen und zu erleichtern.
Rz. 12
Der Begriff "Schulbildung" ist weit zu verstehen. Erforderlich ist aber, dass im Rahmen der in Rede stehenden Förderung Hilfen erfolgen, die den Schulbesuch erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Voraussetzung ist daher, dass ein überwiegender Bezug zur schulischen Ausbildung besteht. Die Hilfen müssen nicht unbedingt nur an den Pflichtunterricht anknüpfen. Auch für außerunterrichtliche Angebote sind Hilfen bereitzustellen, soweit Unterricht und außerunterrichtliche Angebote i. S. eines pädagogischen Gesamtkonzepts untrennbar miteinander verbunden sind. Insofern ist auch ein schulisches Nachmittagsangebot förderfähig, auch wenn dieses nicht der Schulpflicht unterfällt (LSG Niedersachsen, Urteil v. 25.2.2016, L 8 SO 52/14; LSG Niedersachsen, Urteil v. 10.4.2014, L 8 SO 506/13 B ER). Nicht ausreichend ist aber, dass im Rahmen einer Hilfe auch positive Nebeneffekte für die schulische Entwicklung eintreten. Unter Nr. 1 fällt nicht ein Konfimandenunterricht, der nicht im schulischen Rahmen durchgeführt und nicht Bestandteil der Schulbildung ist (LSG Niedersachsen, Urteil v. 25.2.2016, L 8 S0 52/14).
Rz. 13
Als Hilfen nach Nr. 1 kommen grundsätzlich Fahrdienste, Assistenzen oder auch Integrationshelfer (SG Detmold, Urteil v. 28.10.2014, S 2 SO 285/12) in Betracht. Nicht erfasst von Nr. 1 sind Leistungen, die sich auf die Finanzierung der Schulbildung beziehen. So unterfällt insbesondere die Übernahme von Schulgeld für eine Privatschule nicht der Nr. 1. Auch Leistungen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit an der Schule zuzuordnen sind, fallen nicht unter Nr. 1 (BSG, Urteil v. 22.3.2012, B 8 SO 30/10 R).
2.2.2 Hilfen zur schulischen Berufsbildung (Satz 1 Nr. 2)
Rz. 14
Satz 1 Nr. 2 entspricht dem derzeitigen § 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i. V. m. § 13 der Eingliederungshilfeverordnung. Danach sind Hilfen zur beruflichen Berufsausbildung nur dann zu gewähren, wenn eine positive Erfolgsprognose vorliegt. Ausbildungsbegleitende Hilfen der Bundesagentur für Arbeit werden von § 75 nicht erfasst, weil sie ausschließlich betriebsbezogen sind (Luthe, NZA 2017 S. 441). Ebenfalls nicht unter Nr. 2 fallen berufsvorbereitende Maßnahmen, wie z. B. Berufsfindung, Arbeitserprobung oder Maßnahmen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen.
Rz. 15
Zu den Hilfen i. S. v. Nr. 2 gehören nur solche, die in einem unmittelbaren Bezug zur Erlangung einer Berufsausbildung i. S. v. § 1 Abs. 2 BBiG stehen. Die Ausbildung muss demnach auf einen anerkannten Ausbildungsberuf hinführen. Unter Nr. 2 fällt nur die schulische Berufsausbildung. Die Bildungsangebote müssen daher innerhalb eines auf Dauer angelegten schulischen Organisationsrahmens stattfinden. Dies ist u. a. der Fall bei Bildungsangeboten von Berufsbildungswerken, Fortbildungszentren, Akademien oder Schulen (Luthe, NZA 2017 S. 441).
2.2.3 Hilfen zur Hochschulbildung (Satz 1 Nr. 3)
Rz. 16
Nr. 3 entspricht im Wesentlichen § 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 der Eingliederungshilfeverordnung. Auch ein duales Studium stellt eine Hochschulausbildung nach Nr. 3 dar (Luthe, NZA 2017 S. 441). Hilfen können nicht nur beim eigentlichen Studium gewährt werden, sondern auch bei Pflichtpraktika, auch wenn diese im Ausland absolviert werden.
2.2.4 Hilfen zur schulischen und hochschulischen Weiterbildung (Satz 1 Nr. 4)
Rz. 17
Unter der hochschulischen Weiterbildung ist sowohl die hochschulische Weiterbildung im Anschluss an eine duale oder schulische Berufsausbildung als auch die rein akademische Aus- und Weiterbildung zu verstehen. Insofern kommen z. B. Hilfen bei der Aufnahme eines Meisterkurses oder eines Bachelorstudiums im Anschluss an eine vorherige Berufsausbildung nach Nr. 4 in Betracht, aber auch die Aufnahme eines Masterstudiums nach Abschluss des Bachelorstudiums bzw. eines Promotionsstudiums nach Abschluss des Masterstudiums.
Rz. 18
Die Förderung der schulischen oder hochschulischen Weiterbildung setzt nicht voraus, dass die zuvor absolvierte Berufsausbildung bereits durch Leistungen der Eingliederungshilfe gefördert wurde.
2.2.5 Sonstige Hilfen
Rz. 19
Durch die Formulierung "insbesondere" ist nicht ausgeschlossen, dass auch andere Hilfen als Leistung zur Teilhabe an Bildung gewährt werden. In der Gesetzesbegründung wird dabei mit Bezug auf Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention auch das "lebenslange Lernen" angesprochen. Deshalb unterfallen – auch in den Nr. 1 bis 4 nicht gen...