Rz. 20
Da die in den Jahren 2017 und 2018 durchgeführte wissenschaftliche Untersuchung des Art. 25a des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) zum leistungsberechtigten Personenkreis nach § 99 SGB IX zu dem Ergebnis geführt hatte, dass dieses Konzept zur Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises in der Eingliederungshilfe mit dem gesetzgeberischen Ziel, eine Veränderung des leistungsberechtigten Personenkreises zu vermeiden, nicht vereinbar ist (vgl. BT-Drs. 19/4500, Abschlussbericht des Forschungsvorhabens), war die im BTHG vorgesehene Regelung hinfällig.
Vor diesem Hintergrund hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2018 einen Beteiligungsprozess initiiert, in dem ein alternatives Konzept zu Art. 25a BTHG entwickelt wurde. Danach sind in § 99 in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung die Kriterien für die Berechtigung zu Leistungen der Eingliederungshilfe durch Orientierung an den Begrifflichkeiten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation angepasst worden. In einem ersten Schritt sollte nun der im Rahmen des Beteiligungsprozesses entwickelte Vorschlag zur Neufassung der gesetzlichen Regelung zur Bestimmung des leistungsberechtigten Personenkreises in § 99 umgesetzt werden.
2.5.1 Anspruchsberechtigter Personenkreis (Abs. 1)
Rz. 21
Entsprechend dem bis zum 31.12.2019 geltenden § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, auf den § 99 in der bis 30.6.2021 geltenden Fassung verweist, ist für einen Rechtsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe auch in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung nicht ausreichend, dass eine Behinderung oder eine drohende Behinderung i. S. v. § 2 Abs. 1 SGB IX vorliegt. Zusätzlich muss für einen Rechtsanspruch – wie auch für andere Leistungs- oder Rehabilitationsbereiche – ein weiteres Kriterium erfüllt sein. Für einen Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe muss es sich wie auch im Recht der Eingliederungshilfe im SGB XII vor dem BTHG um eine (drohende) "wesentliche Behinderung" handeln. Die "wesentliche Behinderung" wird nun in Abs. 1 legal definiert.
Auch muss weiterhin wie auch im Recht der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII vor dem BTHG für einen Leistungszugang "nach der Besonderheit des Einzelfalles die Aussicht bestehen, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann". Im Rahmen der Prüfung dieser Voraussetzung finden auch Art und Schwere der Behinderung Berücksichtigung.
Durch den Verweis auf § 90 ist klargestellt, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe mit dem BTHG abschließend in § 90 geregelt worden ist. Die in § 4 aufgeführten allgemeinen Ziele der Leistungen zur Teilhabe sind bei der Auslegung der Vorschriften im Teil 2 des SGB IX einzubeziehen.
2.5.2 Drohen einer wesentlichen Behinderung (Abs. 2)
Rz. 22
Abs. 2 definiert, wann eine wesentliche Behinderung droht und entspricht weitestgehend dem bis zum 31.12.2019 geltenden § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, auf den § 99 in der bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung verweist.
2.5.3 Leistungen im Wege des Ermessens (Abs. 3)
Rz. 23
Insbesondere in den Fällen, in denen die "Wesentlichkeit" der Behinderung verneint wird, besteht kein Rechtsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach Abs. 1. Allerdings können Personen mit einer anderen geistigen, seelischen, körperlichen oder Sinnesbeeinträchtigung Leistungen der Eingliederungshilfe nach Abs. 3 wie im bis 31.12.2019 geltenden Recht der Eingliederungshilfe im SGB XII im Ermessenswege erhalten.
Die in Abs. 3 vorgenommen Änderungen gegenüber dem bis zum 31.12.2019 geltenden § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, auf den § 99 in der bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung verweist, sind redaktioneller und nicht inhaltlicher Natur. Durch die Änderungen soll der Anwendungsbereich des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nicht erweitert werden.
2.5.4 Verordnungsermächtigung (Abs. 4)
Rz. 24
Die bis zum 31.12.2019 in § 60 SGB XII enthaltene Verordnungsermächtigung für die Konkretisierung der Leistungsberechtigung ist ab. 1.7.2021 in Abs. 4 bestimmt.
Bis zum Erlass der Rechtsverordnung, die die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlässt, finden die Regelungen der Eingliederungshilfe-Verordnung in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung zur Konkretisierung der Leistungsberechtigung nach § 99 entsprechend Anwendung.