Rz. 34
Gemäß § 19 Abs. 2 der GE Reha-Prozess (Fundstelle: Rz. 72) beginnt die 14-Tage-Frist zur Klärung der Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 am Tag nach Eingang des Antrags beim Rehabilitationsträger. Ein die Frist auslösender Antrag auf Leistungen zur Teilhabe liegt vor, wenn Unterlagen vorliegen, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichen. Hierzu gehört insbesondere, dass
- die Identität des Leistungsberechtigten sowie ein konkretisierbares Leistungsbegehren des Antragstellers erkennbar sind und
- sich dieses konkretisierbare Leistungsbegehren – unabhängig von den verwendeten Begriffen – auf Leistungen zur Teilhabe i. S. v. § 4 bezieht.
Dem Grunde nach widersprechen sich die Aussagen: Entweder beginnt die Frist erst zu dem Zeitpunkt, an dem sämtliche Unterlagen vorliegen, um unmittelbar eine Zuständigkeitsentscheidung treffen zu können, oder bereits zu dem Zeitpunkt, an dem für den Rehabilitationsträger erkennbar wird, dass ein Antrag auf eine konkrete Teilhabeleistung gestellt wurde. In der Praxis hat sich die letzte Meinung durchgesetzt, weil sonst die Gefahr besteht, dass der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet wird, die oben erwähnte Aussage in der Gemeinsamen Empfehlung eng auslegt. Dann würde der "zweitangegangene" Rehabilitationsträger den weitergeleiteten Antrag mit dem Hinweis wieder zurücksenden, dass die Frist des § 14 versäumt wurde und dass der Leistungsanspruch von dem erstangegangenen Rehabilitationsträger zu erfüllen sei (ohne später einen Erstattungsanspruch geltend machen zu können, vgl. § 16 Abs. 4). Im Übrigen ist es schwer vorstellbar, dass dem Rehabilitationsträger für die Klärung der Zuständigkeit noch eine 2-Wochen-Frist eingeräumt wird, wenn alle entscheidungsnotwendigen Unterlagen vorliegen; die eingeräumte Frist wäre nach Auffassung des Autors sonst auf wenige Tage begrenzt worden.
Die Ermittlung und Konkretisierung des Leistungsbegehrens hat nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen und hat sich an dem Ziel der umfassenden Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu orientieren (§ 5 Abs. 1 und 2 der GE Reha-Prozess). Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller alle die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt. Sollten verschiedene Teilhabeleistungen in Betracht kommen, sind diese grundsätzlich in ihrer Gesamtheit als Gegenstand des Antrags aufzufassen (vgl. auch Rz. 16). Wenn also der erstangegangene Rehabilitationsträger feststellt, dass nicht nur die beantragten Leistungen der sozialen Teilhabe, sondern auch eigene in Betracht kommen (z. B. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation), hat dieses in bestimmten Konstellationen durchaus Auswirkungen auf den zuständigen Rehabilitationsträger i. S. d. § 14.
Rz. 35
Die Frist des § 14 sollte bis zum 31.12.2017 nicht für Rehabilitationsträger zu laufen beginnen, die dem Grunde nach nicht Adressat für den Antrag auf Teilhabeleistungen sind (vgl. auch § 2 Abs. 3 der bis 31.12.2017 geltenden Gemeinsamen Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung). Deshalb wurde ein Rehabilitationsträger nicht als "erstangegangen" bezeichnet, wenn ein Antrag erkennbar an einen anderen Rehabilitationsträger adressiert war und dieser nur "irrtümlich" bei einem anderen Rehabilitationsträger eingegangen ist. Dies konnte z. B. der Fall sein, wenn der Rehabilitand den Antrag deshalb in den Briefkasten eines unzuständigen Trägers eingeworfen hat, weil dieser wohnortnah war und dem Antragsteller Wege erspart blieben (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB I). In diesem Fall wirkte § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB I, der wie folgt lautet: "Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten".
Von dem Grundsatz, dass der Rehabilitationsträger als erstangegangen bezeichnet wird, an den der Teilhabeantrag gerichtet ist, ist der Gesetzgeber ab dem 1.1.2018 abgewichen. Nach § 14 Abs. 5 ist nämlich für die Weiterleitung des Antrages § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden. Also: Der Rehabilitationsträger, bei dem der Antrag eingegangen ist, wird erstangegangener Träger. Er hat gemäß § 14 die Zuständigkeitsprüfung durchzuführen und – was die Regel sein wird – den Antrag an dem in dem Antrag aufgeführten Rehabilitationsträger weiterzuleiten. Der Rehabilitationsträger, der in dem Adressatfeld als Empfänger des Antrags angegeben war, wird dann durch die Weiterleitung zweitangegangener Rehabilitationsträger.
Rz. 36
Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden (BSG, Urteile v. 24.1.2013, B 3 KR 5/12 R, und v. 30.10.2014, B 5 R 8/14 ...