Rz. 19
Aus der Aufgabenstellung der Werkstätten folgen Mindestanforderungen an den aufzunehmenden Personenkreis.
Werkstätten sind Einrichtungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben i. S. d. Kapitels 10 des Teils 1 und zur Eingliederung in das Arbeitsleben für diejenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können. Durch diesen Grundsatz wird der Personenkreis beschrieben, der Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen finden kann (zu den Aufnahmevoraussetzungen im Einzelnen vgl. Abs. 2 und § 220). Werkstätten sind danach Einrichtungen zur beruflichen Eingliederung derjenigen behinderten Menschen, die am Arbeitsleben teilhaben können, zu ihrer beruflichen Eingliederung aber auf diese besonderen Einrichtungen angewiesen sind ("Werkstattbedürftigkeit"). Werkstätten sind dagegen keine Einrichtungen zur Eingliederung derjenigen behinderten Menschen, für die andere Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation wie betriebliche oder außerbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in Einrichtungen wie Berufsbildungswerken oder Berufsförderungswerken in Betracht kommen. Sie sind auch keine Einrichtungen zur Beschäftigung derjenigen schwerbehinderten Menschen, die eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben können, aber aus konjunkturellen Gründen dort jedoch zeitweise oder dauerhaft keinen Arbeitsplatz finden.
Rz. 20
Abs. 2 Satz 1 legt die Mindestanforderungen an die Aufnahme behinderter Menschen in die Werkstätten fest. Aus der Aufgabenstellung der Werkstätten als Einrichtungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben folgt, dass nur solche behinderten Menschen in die Werkstätten aufgenommen werden können, für die Maßnahmen der beruflichen Eingliederung überhaupt in Betracht kommen. Deshalb ist Aufnahmevoraussetzung die Erwartung, dass die behinderten Menschen spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich in der Lage sind, am Arbeitsprozess teilzunehmen, d. h. eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung zu erbringen. Die Erbringung dieser Arbeitsleistung muss erst nach Durchführung der Maßnahmen im Berufsbildungsbereich gewährleistet sein, nicht bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Werkstatt. Zu diesem Zeitpunkt muss jedoch bereits eine Erwartung gegeben sein, dass der behinderte Mensch nach Abschluss der Fördermaßnahmen hierzu voraussichtlich in der Lage sein wird.
Rz. 21
Das "Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung" ist gesetzlich nicht definiert, vielmehr reicht ein Minimum an Arbeitsleistung aus. Für das Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung reicht es aus, wenn der behinderte Mensch irgendwie am Arbeitsauftrag der Werkstatt mitwirken kann, d. h. an der Herstellung und Erbringung der von der Werkstatt vertriebenen Waren und Dienstleistungen durch nützliche Arbeit beteiligt werden kann, ohne sich und andere zu gefährden (BSG, Urteil v. 7.12.1983, 7 RAr 73/82, Urteil v. 29.6.1995, 11 RAr 57/94, Leitsatz u. a.: "Maßstab für die Werkstattfähigkeit ... sind die Verhältnisse (z. B. Personalschlüssel) in der Werkstätte, in die der Schwerbehinderte aufgenommen werden soll").
Rz. 22
Diesem Personenkreis stehen die Werkstätten offen, d. h., die Werkstätten sind zur Aufnahme dieser behinderten Menschen bei Vorliegen der Aufnahmevoraussetzungen verpflichtet. Hierauf haben die behinderten Menschen seit dem 1.8.1996 einen Rechtsanspruch (im Einzelnen vgl. § 220).
Rz. 23
Ein behinderter Mensch kann in eine Werkstatt nur aufgenommen werden, wenn er "werkstattfähig" ist. Dies ist nicht der Fall bei denjenigen, bei denen trotz einer der Behinderung angemessenen Bertreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist oder das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege schon die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich nicht zulässt. Diese Einschränkungen müssen dauerhaft vorliegen, vorübergehende Einschränkungen schließen einen Aufnahmeanspruch nicht aus.
Stellungnahmen des in den Werkstätten eingerichteten Fachausschusses, in dem die Werkstatt sowie Vertreter der Rehabilitationsträger vertreten sind, zur Eignung, also etwa zur Werkstattfähigkeit und damit zur Aufnahme in das Eingangsverfahren oder den Berufsbildungsbereich, sind Empfehlungen. Seinen Entscheidungen kommt keine Bindungswirkung zu (BSG, Urteil v. 10.3.1994, 7 RAr 22/93).