2.1 Personenkreis
Rz. 2
Abs. 1 Satz 1 beschreibt den Personenkreis schwerbehinderter Menschen (nicht Gleichgestellte, für diese finden die Vorschriften des Kap. 13 keine Anwendung), die infolge ihrer Behinderung Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr haben. Im Einzelnen sind dies schwerbehinderte Menschen, die
- in ihrer Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt,
- hilflos
- oder gehörlos sind.
2.1.1 Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
Rz. 3
Zur Definition "infolge der Behinderung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr besonders beeinträchtigt" vgl. § 229 Abs. 1.
2.1.2 Hilflos
Rz. 4
Welche schwerbehinderten Menschen hilflos sind, bestimmt § 228 ebenfalls nicht selbst. Maßgeblich ist der im Einkommensteuergesetz geregelte Begriff (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Schwerbehinderten-Ausweisverordnung in der durch Art. 56 SGB IX geänderten Fassung: "... wenn der schwerbehinderte Mensch hilflos i. S. d. § 33b EStG oder entsprechender Vorschriften ist").
Rz. 5
Hilflos i. S. d. § 33 b Abs. 6 EStG ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf.
Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.
2.1.3 Gehörlos
Rz. 6
Unter Gehörlosen sind sowohl Hörbehinderte zu verstehen, bei denen Taubheit beiderseits vorliegt, als auch Hörbehinderte mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn daneben schwere Sprachstörungen (schwerverständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliegen; das sind i. d. R. Hörbehinderte, bei denen die an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit angeboren oder in der Kindheit erworben worden ist (BT-Drs. 10/5701 S. 14, Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, herausgegeben vom BMA 1996, Nr. 30 S. 165).
2.2 Voraussetzungen
2.2.1 Ausweis
Rz. 7
Die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der unentgeltlichen Beförderung sind durch Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Abs. 5 nachzuweisen. Die Gestaltung der Ausweise und die jeweilige Kennzeichnung sind in der Ausweisverordnung geregelt.
Rz. 8
Der Ausweis für schwerbehinderte Menschen, die das Recht auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr in Anspruch nehmen wollen, ist (neben der Grundfarbe grün, § 1 Abs. 1 Schwerbehinderten-Ausweisverordnung) durch einen halbseitigen orangefarbenen Flächenaufdruck gekennzeichnet (§ 1 Abs. 2 Schwerbehinderten-Ausweisverordnung). In diesem Ausweis ist das Merkzeichen "G" als Nachweis für die Zugehörigkeit zu der Personengruppe der in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigten schwerbehinderten Menschen aufgedruckt (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 Schwerbehinderten-Ausweisverordnung). Der Nachweis der Hilflosigkeit ist durch das Merkzeichen "H" auf der Rückseite des Ausweises geführt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Schwerbehinderten-Ausweisverordnung), der Nachweis der Gehörlosigkeit durch das Merkzeichen "Gl". Dieses Merkzeichen ist durch Art. 56 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. cc, § 3 Abs. 1 Nr. 4 in die Schwerbehinderten-Ausweisverordnung eingeführt worden. Somit kann der Personenkreis der gehörlosen schwerbehinderten Menschen den entsprechenden Nachweis durch ein eigenständiges Merkzeichen im Ausweis führen.
Der Anspruch auf unentgeltliche Beförderung besteht seit dem 1.9.2011 nicht mehr nur im Nahverkehr i. S. d. § 230 Abs. 1, sondern bundesweit, allerdings weiterhin nur in Zügen des Nahverkehrs. Werden Züge des Fernverkehrs benutzt, was bei weiteren Entfernungen naheliegend ist, müssen auch freifahrtberechtigte schwerbehinderte Menschen den jeweiligen Fahrpreis entrichten. (vgl. Komm. dort); werden zuschlagpflichtige Züge des Nahverkehrs (vgl. § 2 der durch Art. 58 geänderten Nahverkehrszügeverordnung, Komm. zu § 230 Abs. 1 Nr. 5 und § 237) benutzt, ist der tarifmäßige Zuschlag zu zahlen.
2.2.2 Wertmarke
Rz. 9
Voraussetzung für die unentgeltliche Beförderung in Zügen des Nahverkehrs ist weiterhin, dass der Ausweis mit einer Wertmarke versehen ist (Abs. 1 Satz 2). Diese Wertmarke wird durch das für die Ausstellung der Ausweise zuständige Versorgungsamt auf Antrag des schwerbehinderten Menschen mit einem Beiblatt ausgegeben, das nur mit dem Ausweis gültig ist (§ 3 a Abs. 1 und 2 Schwerbehinderten-Ausweisverordnung).
2.2.2.1 Kostenpflichtige Wertmarke
Rz. 10
Die Wertmarke wird grundsätzlich (zu den Ausnahmen vgl. Abs. 4 Satz 1) nur gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 91,00 EUR (ab 1.1.2021) für eine Gültigkeitsdauer von einem Jahr oder 46,00 EUR (ab 1.1.2021) für eine Gültigkeitsdauer von einem halben Jahr ausgegeben. Dieser Betrag kann als eine Eigenbeteiligung des schwerbehinderten Menschen bezeichnet werden, sodass – jedenfalls für den Personenkreis, der von der Ausnahme des Abs. 4 Satz 1 nicht erfasst ist – der Begriff der unentgeltlic...