Rz. 24
Die Komplexleistungen der Frühförderung verfolgen das Ziel, die Leistungserbringung ganzheitlich "unter einem Dach" zu ermöglichen. Sie umfassen i. S. d. §§ 2, 5, 6 und 6a FrühV alle erforderlichen medizinischen, medizinisch-therapeutischen und heilpädagogischen Leistungen, die zusätzlich auch pädagogische, psychologische und soziale Inhalte beinhalten können. Entscheidend ist die unter einem Dach erfolgende Verknüpfung und Abstimmung einzelner Maßnahmen, Methoden und Teilziele zwecks einer gemeinsamen Zielsetzung. Dabei können die Maßnahmen mit unterschiedlicher und ggf. auch wechselnder Intensität erfolgen.
Die Komplexleistung schließt auch Eltern/Erziehungsverantwortliche in die Förderung mit ein, um diese in ihrer Handlungskompetenz zu unterstützen und um Ihnen die Wechselwirkungen zwischen Kind, Familie und sozialem Umfeld zu verdeutlichen.
Es handelt sich immer dann um eine Komplexleistung, wenn für einen prognostisch festgelegten Zeitraum (Förderzeitraum) Leistungen sowohl aus den Bereichen der heilpädagogischen als auch der medizinisch-therapeutischen Maßnahmen notwendig sind, um das übergreifend formulierte Therapie- und Förderziel (Teilhabeziel) zu erreichen.
Die Zusammenstellung der verschiedenen Leistungen ist individuell vorzunehmen und abhängig vom konkreten Förder- und Behandlungsbedarf des Kindes.
Rz. 25
Nach der Gesetzesbegründung zu § 46 (BT-Drs. 18/9522 S. 251) gehören zu der Komplexleistung auch die sog. Korridorleistungen, durch die die Interdisziplinarität erst ermöglicht und der Lebensweltbezug der Frühförderung gestärkt werden soll. Diese sind in § 6a FrühV (vgl. Rz. 3) aufgeführt. Danach zählen zu den Komplexleistungen auch die neben den interdisziplinär zu erbringenden medizinischen, medizinisch-therapeutischen und heilpädagogischen Leistungen (§§ 5 und 6 FrühV) sowie einer interdisziplinären Früherkennung des Förderbedarfs (§ 2 FrühV) zusätzliche Korridorleistungen. Als Korridorleistungen sind insbesondere die interne und externe Koordination zur Leistungserbringung, die Vor- und Nachbereitungszeiten, die Beteiligung bzw. Einbindung von Bezugspersonen (Eltern, Kindergarten etc.) und die Dokumentation zu verstehen – also die sog. indirekten Leistungen (vgl. hierzu Rz. 26).
Letztendlich umfassen die Leistungen der Komplexleistung Früherkennung und Frühförderung insbesondere
- ein – ggf. vor der Beginn der Eingangsdiagnostik zu führendes – offenes, niederschwelliges Beratungsangebot für Erziehungsberechtigte, die ein Entwicklungsrisiko bei ihrem Kind vermuten (Erstgespräch mit ganzheitlichem Ansatz und fachgruppenübergreifenden Inhalten),
- die interdisziplinäre Eingangsdiagnostik (einschließlich anamnestische Gespräche mit Eltern und anderen Bezugspersonen sowie Vermittlung der Diagnose, vgl. Rz. 12 ff.),
- das Erstellen des Förder- und Behandlungsplans einschließlich Erörterung und Beratung des Förder- und Behandlungsplans (vgl. Rz. 16),
- die Förderung und Behandlung des Kindes auf der Grundlage des Förder- und Behandlungsplans; hierzu zählt auch die Beratung der Erziehungsberechtigten hinsichtlich des Entwicklungs- und Förderprozesses des Kindes (Verhaltens- und Beziehungsfragen), die Anleitung und Hilfe bei der Gestaltung des Alltags, Anleitung zur Einbeziehung in Förderung und Behandlung, Hilfen zur Unterstützung der Bezugspersonen bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung sowie die Vermittlung von weiteren Hilfs- und Beratungsangeboten (Einzelheiten vgl. Rz. 21 f.),
- die regelmäßige interdisziplinäre Fallberatung zur ggf. notwendigen Anpassung der Förderplanung sowie die Dokumentation des Förderprozesses und alle damit verbundenen Inhalte,
- die interdisziplinäre Verlaufsdiagnostik,
- die interdisziplinäre Abschlussdiagnostik sowie
- weitere indirekte Leistungen (Rz. 26).
Die Komplexleistungen können – wenn medizinisch und heilpädagogisch vertretbar – auch in der Kleingruppe oder in mobiler Form (vgl. § 6 Satz 2 und 3 FrühV) angeboten werden und orientieren sich an der auf den Alltag ausgerichteten Familien- und Lebenswelt des Kindes.
Rz. 26
Zu den (weiteren) indirekten Leistungen (auch als Korridor- oder systemische Leistungen bezeichnet) zählen z. B.
- die Vorbereitung des Förderraumes mit Organisation des entsprechenden Arbeits- und Spielmaterials und Aufräumen des Förderraumes und des benötigten Materials,
- das Reflektieren der Ergebnisse der Fördereinheit,
- das Aktenstudium mit Einblick in die Inhalte der letzten eigenen Fördereinheit und die Verlaufsdokumentation der mitbehandelnden Kollegin einschließlich der Methoden- und Materialauswahl für die Fördereinheit,
- die Planung des weiteren Förderverlaufs, ggf. Nahzielanpassung und Überprüfung der Effizienz etc.,
- die Durchführung regelmäßiger interdisziplinärer Team- und Fallbesprechungen, in denen sich die Therapie-/Behandlungsakteure (auch die im Wege der Kooperation eingebundenen Mitarbeiter) über die Fördermöglichkeiten des Kindes aufgrund der konkreten Verhaltensweisen des Kindes austauschen (Abstimmung der "Therapie" zwischen den ei...