2.1 Überblick
Rz. 6
§ 47 regelt den Anspruch auf die Versorgung mit Hilfsmitteln für den Personenkreis der Menschen mit Behinderungen. Hilfsmittel sind Gegenstände, die im Einzelfall erforderlich sind, um durch ersetzende, unterstützende oder entlastende Wirkung den Erfolg einer Heilbehandlung (= medizinischen Rehabilitation) zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung bzw. die Folgen einer Behinderung auszugleichen. Hilfsmittel können aber auch technische Produkte sein, die dazu dienen, Arzneimittel oder andere Therapeutika in den menschlichen Körper einzubringen (z. B. Inhalationsgeräte).
Der Anspruch auf Hilfsmittel richtet sich nach den rehabilitationsträgerspezifischen Vorschriften, z. B. nach § 33 i. V. m. § 36 SGB V gegenüber der Krankenkasse und § 31 SGB VII gegenüber dem Unfallversicherungsträger (§ 7 Abs. 1). Der Grundsatz des Vorrangs der rehabilitationsträgerspezifischen Vorschriften gilt grundsätzlich auch bei Hilfsmittelansprüchen gegenüber dem Rentenversicherungsträger, allerdings verweist die rentenversicherungsspezifische Vorschrift des § 15 Abs. 1 SGB VI auf das Leistungsspektrum und die -ansprüche des § 47. Insofern ist bei der Hilfsmittelversorgung im Rahmen der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zulasten des Rentenversicherungsträgers § 47 direkt anzuwenden.
Bei den Hilfsmitteln im Rahmen der medizinischen Rehabilitation richtet sich das Leistungsspektrum des Trägers der Eingliederungshilfe nach dem der Krankenkasse (§ 109 Abs. 2). Allerdings ist festzuhalten, dass die medizinischen Rehabilitationsleistungen des Trägers der Eingliederungshilfe nur dann greifen, wenn der anspruchsberechtigte Mensch von dem Behindertenbegriff des § 2 Abs. 1 erfasst wird. Nach § 2 Abs. 1 sind Menschen behindert, wenn sie körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können. Für die Bemessung der 6 Monate wird der Zeitraum vom Eintritt bis zur voraussichtlichen Behebung der Teilhabestörung zugrunde gelegt.
2.2 Definition des Hilfsmittels i. S. d. § 47 (Abs. 1)
2.2.1 Begriff
Rz. 7
§ 47 definiert den Begriff des Hilfsmittels i. S. d. medizinischen Rehabilitation und grenzt diese insbesondere im Verhältnis zu den Hilfsmitteln im Rahmen der Leistungen
- zur Teilhabe am Arbeitsleben (insbesondere § 49 Abs. 8),
- zur Teilhabe an Bildung (§ 75) und
- zur Sozialen Teilhabe (Eingliederungshilfe, §§ 76 ff.)
ab. Die gesetzliche Krankenversicherung, die nur für die Leistungsgruppe "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" zuständig ist, hat somit nicht jegliche Folgen von Behinderung für alle Lebensbereiche durch Hilfsmittel auszugleichen. Vielmehr ist deren Aufgabenbereich im Rahmen der medizinischen Rehabilitation von den Aufgabenbereichen anderer Rehabilitationsträger und der Eigenverantwortung der Versicherten abzugrenzen. Im Bereich des von ihr zu erfüllenden Behinderungsausgleichs bemisst sich die originäre Leistungszuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Zweck des Hilfsmittels, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens und einem möglichst selbstbestimmten und selbstständigen Leben dient (= medizinische Rehabilitation i. S. d. § 47; BSG, Urteil v. 7.5.2020, B 3 KR 7/19 R).
Rz. 8
Nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 sind Hilfsmittel Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um
- einer drohenden Behinderung vorzubeugen (Rz. 14 ff.),
- den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern (Rz. 17) oder
- eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens (Rz. 18 f.) auszugleichen, soweit es sich bei dem Hilfsmittel nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (Rz. 24 ff.) handelt.
Als Hilfsmittel i. S. d. § 47 kommen somit wegen des Wortlautes des Abs. 1 nur bewegliche Sachen in Betracht. Hilfsmittel, die mit dem Wohngebäude fest verankert sind, können somit nicht im Rahmen der medizinischen Rehabilitation, sondern – unter Berücksichtigung der rehabilitationsträgerspezifischen Anspruchsvoraussetzungen – ausschließlich im Rahmen der restlichen Leistungsgruppen des § 5 finanziert werden (vgl. auch BSG, Urteil v. 6.8.1998, B 3 KR 14/07 R – Treppenlift). Gleiches gilt für technikgestützte Dienstleistungen (BSG, Urteil v. 26.6.1990, 3 RK 39/89 – Hausnotrufsystem) und für Hilfsmittel allein wegen der Besonderheiten der individuellen Wohnverhältnisse des Menschen mit Behinderungen (kein Anspruch eines gehunfähigen Versicherten auf Versorgung mit einer elektrisch betriebenen mobilen Treppensteighilfe für einen Rollstuhl im Rahmen von § 33 SGB V, § 47: BSG, Urteil v. 7.10.2010, B 3 KR 13/09 R).
Rz. 9
Hilfsmittel sind nach allgemeiner...