– Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen –
Mit dem Sozialgesetzbuch IX, das am 19.6.2001 vom Deutschen Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen worden war und das am 1.7.2001 in Kraft trat, war der Gesetzgeber einer seit Langem bestehenden Forderung nachgekommen, das Recht der Rehabilitation behinderter Menschen weiterzuentwickeln und im Sozialgesetzbuch als weiteres Buch zusammenzufassen. Diese Forderung hatte auch der Deutsche Bundestag am 19.5.2000 durch die einstimmige Annahme des interfraktionellen Entschließungsantrags "Die Integration von Menschen mit Behinderungen ist eine dringliche politische und gesellschaftliche Aufgabe" (BT-Drs. 14/2913) noch einmal bekräftigt. Mit dem Bundesteilhabegesetz v. 23.12.2016 wurde das Neunte Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) neu gefasst.
1 Zielsetzung und Notwendigkeit des Gesetzes
Am 26. März 2009 ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention – UN-BRK) in Deutschland in Kraft getreten. Die UN-BRK ist seitdem geltendes Recht und eine wichtige Leitlinie für die Behindertenpolitik in Deutschland. Mit der Ratifikation der UN-BRK hat sich die Bundesrepublik Deutschland dazu bekannt, das deutsche Recht grundsätzlich in Übereinstimmung mit diesem Menschenrechtsübereinkommen weiterzuentwickeln. Der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen bei den Vereinten Nationen hat der Bundesrepublik Deutschland in seinen "Abschließenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands" vom 13. Mai 2015 eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen zur weiteren Umsetzung der UN-BRK gegeben. So solle die Bundesrepublik Deutschland unter anderem:
- die gesetzliche Definition von Behinderung mit den allgemeinen Grundsätzen und Bestimmungen der UN-BRK in Einklang bringen,
- ausreichende Finanzmittel verfügbar machen, um die Deinstitutionalisierung und selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung zu fördern,
- die Voraussetzungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt schaffen,
- eine Prüfung des Umfangs vornehmen, in dem Menschen mit Behinderungen ihr persönliches Einkommen verwenden, um ihre Bedarfe zu decken und selbstbestimmt zu leben, und
- Menschen mit Behinderungen soziale Dienstleistungen zur Verfügung stellen, die ihnen Inklusion, Selbstbestimmung und die Entscheidung, in der Gemeinschaft zu leben, ermöglichen.
2 Inhaltliche Schwerpunkte des Gesetzes
Mit dem Bundesteilhabegesetz werden Empfehlungen aus den "Abschließenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands" aufgegriffen und die Behindertenpolitik in Deutschland in Einklang mit der UN-BRK weiterentwickelt. Gleichzeitig wurden Vorgaben des Koalitionsvertrages für die 18. Legislaturperiode umgesetzt, die u. a. vorsehen, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Sinne von mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung zu verbessern und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln. Darüber hinaus ist mit diesem Gesetz das Schwerbehindertenrecht weiterentwickelt worden.
Schwerpunkt des Gesetzes ist die Neuordnung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX). Das SGB IX hat nunmehr die folgende Struktur:
- In Teil 1 ist das für alle Rehabilitationsträger geltende Rehabilitations- und Teilhaberecht zusammengefasst. Dieses allgemeine Recht wird durch zum Teil abweichungsfest ausgestaltete Regelungen im Sinne von Artikel 84 Absatz 1 Satz 6 des Grundgesetzes innerhalb des SGB IX gestärkt.
- In Teil 2 ist die aus dem SGB XII herausgelöste und reformierte Eingliederungshilfe als "Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen" geregelt. Das SGB IX ist insoweit zu einem Leistungsgesetz aufgewertet worden.
- In Teil 3 steht nun das weiterentwickelte Schwerbehindertenrecht, das bis dahin in Teil 2 geregelt war.
Neuer Behinderungsbegriff
Mit § 2 Absatz 1 SGB IX ist zum 1. Januar 2018 ein neuer Behinderungsbegriff eingeführt worden. Behinderung ist dabei als Wechselwirkung zwischen Beeinträchtigung und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren zu verstehen. Demnach gilt als Behinderung nicht mehr in erster Linie das "Defizit", die "Normabweichung" in den Körperfunktionen und –strukturen eines Menschen. Die Abweichung von der Norm ist nun nur ein Element der nach dem sogenannten "bio-psycho-sozialen Modell" der International Classification of Functioning and Health (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu ermittelnden Teilhabeeinschränkungen. Mit dem neuen Behinderungsbegriff im SGB IX und dessen Orientierung an den allgemeinen Grundsätzen und Bestimmungen der UN-BRK wird eine funktionale Beeinträchtigung im Zusammenhang mit Kontextfaktoren wie dem Einfluss des gesellschaftlichen Umfelds sowie mit den Interessen und Wünschen des betreffenden Menschen betrachtet.
Modellvorhaben zur Rehabilitation
Das Bundesteilhabegesetz verpflichtet die Träger von Rehabilitationsmaßnahmen, wi...