Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe des Arbeitslosengeldes. Bemessungsentgelt. Einschränkung der Arbeitszeit iS des § 151 Abs 5 S 1 SGB 3. Bestandsschutzfall iS des § 151 Abs 4 SGB 3. maßgebliche Arbeitszeit zur Ermittlung des Bemessungsentgelts
Orientierungssatz
Bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts nach § 151 Abs 5 S 1 SGB 3 ist in sog Bestandsschutzfällen (§ 151 Abs 4 SGB 3) auf die Arbeitszeit im Regelbemessungszeitraum abzustellen, da die Bestandsschutzregelung des § 151 Abs 4 SGB 3 nur die Höhe des Entgelts, nach dem das Arbeitslosengeld zuletzt bemessen wurde, und nicht den diesem zugrunde liegenden Zeitfaktor übernimmt.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 8. April 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeldes (Alg).
Die 1971 geborene Klägerin meldete sich am 3. April 2018 mit Wirkung zum gleichen Datum arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Der Antrag enthält keine Angaben zur Einschränkung der Verfügbarkeit aus gesundheitlichen Gründen. Die Klägerin war zuvor vom 8. Februar 2017 bis zum 31. Mai 2017 und vom 1. Juni 2017 - 13. Februar 2018 als Gesundheits- und Krankenpflegerin jeweils in Teilzeit (20 Stunden, Arbeitsbescheinigungen Bl. 56, 45) beschäftigt. Sie bezog vom 23. Dezember 2016 bis 7. Februar 2017, vom 24. Juni 2017 bis 30. Juni 2017 und vom 14. Februar 2018 bis 31. März 2018 Krankengeld.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 16. Mai 2018 Alg nach § 136 SGB III ab 3. April 2018 für 338 Tage nach einem täglichen Arbeitsentgelt von 50,08 Euro bei Lohnsteuerklasse IV, dem erhöhten Leistungssatz von 67 %, der Berücksichtigung keiner Arbeitszeiteinschränkung und unter Zugrundelegung eines einjährigen Bemessungsrahmens (bei Berücksichtigung des zuvor bezogenen höheren Bemessungsentgelts). Der tägliche Zahlbetrag belief sich auf 24,79 EUR. Der Bemessung zugrunde gelegt worden waren Beschäftigungsverhältnisse ab dem 8. Februar 2017, die ein Entgelt iHv 13.240,69 EUR für 301 Tage ergeben hatten. Das daraus ermittelte tägliche Entgelt betrug 43,99 EUR. Da die Klägerin aber zuvor Alg vom 1. Oktober 2016 bis 22. Dezember 2016 gemäß § 136 SGB III bezogen hatte aus einer Tätigkeit als Krankenschwester mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von max. 40 Stunden, wurde dieses höhere Vorbezugsentgelt betrug 50,08 EUR bei der Berechnung zugrunde gelegt.
Laut Verbis-Beratungsvermerk vom 30. Mai.2018 gab die Klägerin im Rahmen eines persönlichen Kontakts an, sich für 15 Stunden dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. An diesem Tag wurde u.a. die gesundheitliche Situation der Klägerin und ihre beruflichen Perspektiven erörtert. Die Klägerin legte ein “Attest zur Vorlage bei der Agentur für Arbeit” des Facharztes für Allgemeinmedizin J, F, vom 27. März 2018 vor, wonach sie eine sitzende Tätigkeit im Umfang von täglich drei Stunden ausüben könne. In diesem Umfang stelle sie sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Eine bei der DRV beantragte Reha-Maßnahme stehe noch aus.
Mit Änderungsbescheid vom 31. Mai 2018 gewährte die Beklagte der Klägerin für die Zeit ab dem 30. Mai 2018 Alg nur noch iHv 9,94 EUR. Dafür berief sie sich auf § 48 SGB X. In den Verhältnissen der Klägerin seien wesentliche Änderungen eingetreten. Sie könne nicht mehr die im Bemessungszeitraum angefallenen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsstunden leisten. Das Bemessungsentgelt vermindere sich entsprechend dem Verhältnis der der Klägerin aktuell möglichen Wochenarbeitszeit (15 Stunden) zu den früher geleisteten (40 Stunden). Somit betrage das Bemessungsentgelt 18,78 EUR täglich, das Leistungsentgelt 14,84 EUR. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19. Juni 2018 hob die Beklagte die Alg- Bewilligung für den 30. Mai 2018 teilweise auf und forderte die Überzahlung von 14,85 EUR; für die Zeit ab dem 1. Juni 2018 erließ die Beklagte einen demjenigen vom 31. Mai 2018 inhaltsgleichen Änderungsbescheid vom 19. Juni 2018.
Gegen die Bescheide vom 31. Mai 2018 und 19. Juni 2018 erhob die Klägerin rechtzeitig Widerspruch. Die Leistungshöhe sei unzutreffend. Sie sei entgegen der Annahme der Beklagten und dem Inhalt des Attestes des Arztes J weniger als drei Stunden täglich leistungsfähig und habe daher Anspruch auf ungekürzte Leistungen gem. §§ 145, 151 Abs. 5 S. 2 SGB III. Durch die geplante Reha-Maßnahme könne ihre Erwerbsfähigkeit möglicherweise wiederhergestellt werden.
Im Widerspruchsverfahren reichte die Klägerin Lohnabrechnungen für die Zeiträume August 2015 - Juli 2016 ein, aus denen überwiegend ein Festgehalt, für Dezember 2015 eine Stundenanzahl von 106,25 hervorging.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2018 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf die eingeschränkte Verfügbarkeit der Klägerin sowie auf die Bemessungsvorschriften der §§ 151, 145 SGB III z...