Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. Versicherungspflichtverhältnis. Strafgefangener in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis eigener Art. Berücksichtigung von allgemeinen arbeitsfreien Tagen. Gleichbehandlung mit Arbeitnehmern
Orientierungssatz
1. Bei einem Strafgefangenen, der seine Arbeit gegen Entlohnung in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis eigener Art verrichtet, ist der gesamte Zeitraum, in dem die Tätigkeit erbracht wurde, bei der Berechnung der Anwartschaftszeit zugrunde zu legen. Deshalb sind auch "umfasste" allgemeine arbeitsfreie Tage einschließlich der Wochenenden als versicherungspflichtige Zeiten zu berücksichtigen.
2. Es ist kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung zwischen arbeitenden Strafgefangenen und Arbeitnehmern in einem freien Beschäftigungsverhältnis erkennbar.
3. AZ beim LSG Essen: L 20 AL 135/14.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung für die gesetzliche Dauer zu bewilligen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger durch seine versicherungspflichtige Arbeit, die er während einer Haftzeit ausgeübt hat, die erforderliche Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt hat.
Der 1975 geborene Kläger war in der Zeit vom 25.04.2012 bis 11.06.2013 in der JVA B. inhaftiert. Ab 09.05.2012 bis zum 07.06.2013 arbeitete der Kläger als Gefangener in der JVA. Das Land NRW entrichtete aufgrund der Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III entsprechende Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gemäß § 347 Nr. 3 SGB III. Entgegen der bis zum August 2012 gängigen Praxis, wonach in der Arbeitsbescheinigung nach § 312 Abs. 4 SGB III gemäß den Ausfüllhinweisen der Beklagten "arbeitsfreie Samstage, Sonntage und gesetzliche Wochenfeiertage, die innerhalb eines zusammenhängenden Arbeits- oder Ausbildungsabschnitts liegen , nicht aus der versicherungspflichtigen Zeit heraus zurechnen sind" (vgl. Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Abs. 4 SGB III = Anlage 3 zum Anhang 2 - § 312 SGB III zu Geschäftsanweisung Alg-SGB III Stand: 04/2012), forderte die Beklagte in ihren neuen Ausfüllhinweisen zur Arbeitsbescheinigung die Justizvollzugsanstalten dazu auf, arbeitsfreie Tage ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht zu bescheinigen (vgl. Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Abs. 4 SGB III = Anlage 3 zum Anhang 2 - § 312 SGB III zu Geschäftsanweisung Alg-SGB III zu Geschäftsanweisung Alg-SGB III Stand: 09/2012).
Dementsprechend bescheinigte die JVA B. für den Kläger mit den Arbeitsbescheinigungen vom 10.06.2013 (vgl. Bl. 6 und Bl. 8 der Verwaltungsakte der Beklagten) für den Zeitraum vom 09.05.2012 bis 19.04.2013 insgesamt 315 versicherungspflichtige Arbeitstage und für den Zeitraum vom 22.04.2013 bis 07.06.2013 insgesamt 27 versicherungspflichtige Arbeitstage.
Am Tag seiner Haftentlassung (11.06.2013) meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 12.06.2013.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 24.06.2013 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, da er in den letzten zwei Jahren vor dem 11.06.2013 weniger als 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.
Den hiergegen fristgemäß eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, seines Erachtens seien die Arbeitstage in der JVA falsch berechnet, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2013 als unbegründet zurück. Die Anwartschaftszeit erfülle gemäß § 142 Abs. 1 SGB III nur, wer in der Rahmenfrist von 2 Jahren ab dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 143 Abs. 1 SGB III) mindestens 12 Monate, d.h. 360 Kalendertage (§ 339 Satz 2 SGB III) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Innerhalb der für den Kläger geltenden Rahmenfrist vom 12.06.2011 bis 11.06.2013 seien jedoch nur 342 Kalendertage berücksichtigungsfähig, in denen der Kläger versicherungspflichtig i.S.d. § 24, 26 und 28a SGB III gewesen sei. Die Beklagte verwies insoweit auf die Arbeitsbescheinigungen der JVA B..
Hiergegen hat der Kläger fristgemäß Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben. Zur Begründung trägt er vor:
aufgrund seiner Arbeitstätigkeit in der JVA B. vom 09.05.2012 bis 07.06.2013, mithin einem Zeitraum von knapp 13 Monaten, habe er in der Rahmenfrist vom 12.06.2011 bis 11.06.2013 insgesamt 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Soweit die JVA in den Arbeitsbescheinigungen vom 10.06.2013 lediglich 342 Tage bescheinigt habe, so sei dies inhaltlich unzutreffend, da insoweit nur die tatsächlichen Arbeitstage und nicht der gesamte Zeitraum des Versicherungspflichtverhältnisses erfasst seien. Zur Untermaueru...