0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Art. 5 Nr. 12 des Gesetzes für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz – GKV-FKG) v. 22.3.2020 (BGBl. I S. 604) mit Wirkung zum 1.4.2020 eingeführt worden. Die Norm hebt die Haftung der Länder für die Ansprüche der Beschäftigten von Krankenkassen auf Leistungen der Altersversorgung und auf Insolvenzgeld nach § 12 Abs. 2 InsO auf. Der Inhalt war bisher in § 171c geregelt. Der bis zum Inkrafttreten des GKV-FKG geltende Regelungsgehalt des § 161 (Ausscheiden einer Handwerksinnung) ist entfallen. Mittlerweile sind alle Innungskrankenkassen geöffnet (§ 173 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4). Eine Regelung über die Zustimmung der Aufsichtsbehörde beim Ausscheiden einer Handwerksinnung aus einer gemeinsamen Innungskrankenkasse ist nicht mehr erforderlich.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift hebt die Haftung der Länder für die Ansprüche der Beschäftigten von Krankenkassen auf Leistungen der Altersversorgung und auf Insolvenzgeld nach § 12 Abs. 2 InsO auf.
Rz. 3
Die Norm gilt nicht für die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als Träger der Krankenversicherung der Landwirte, die die Krankenversicherung nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte durchführt und in Angelegenheiten der Krankenversicherung die Bezeichnung landwirtschaftliche Krankenkasse führt (§ 17 Satz 3 KVLG 1989). Die Ausnahme ist sachgerecht, da die landwirtschaftliche Krankenkasse nicht am Kassenwettbewerb und Gesundheitsfonds teilnimmt (BT-Drs. 16/9559 S. 19). Die Norm ist ebenfalls nicht auf die Knappschaft als Bestandteil der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See anzuwenden.
Rz. 4
Die Norm erfasst ausschließlich diejenigen Krankenkassen, die der Aufsicht durch die Länder unterliegen. Dies sind alle landesunmittelbaren Krankenkassen, deren räumliche Zuständigkeit sich auf maximal 3 Länder erstreckt (§ 90 Abs. 2, 3 SGB IV). Sind mehrere Länder beteiligt, ist ein Staatsvertrag erforderlich (§ 90 Abs. 3 SGB IV).
2 Rechtspraxis
Rz. 5
Erklärt ein Bundesland das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person für unzulässig, können nach § 12 Abs. 2 InsO bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer juristischen Person deren Arbeitnehmer von dem Land die Leistungen verlangen, die sie im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Insolvenzgeld von der Agentur für Arbeit und nach den Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom Träger der Insolvenzsicherung beanspruchen könnten. Die betreffenden Beschäftigten der juristischen Person verfügen mit der Regelung in § 12 Abs. 2 InsO über eine eigenständige Anspruchsgrundlage, mit der die sonst geltenden Anspruchsgrundlagen ersetzt werden (z. B. §§ 358 und 359 SGB III). Wenn ein Land das Insolvenzverfahren für unzulässig erklärt hat, bestand quasi als Gegenleistung die vorstehend bezeichnete Haftung für die genannten Ansprüche der Beschäftigten.
Rz. 6
Durch die Neuordnung des Insolvenzrechts mit Wirkung zum 1.1.2010 durch § 160 (bis zum 31.3.2020 § 171b) bzw. die für den Insolvenzfall vorgesehene Haftung des GKV-Spitzenverbandes (§ 169 Abs. 1; bis zum 31.3.2020 § 171d Abs. 1) für Teile der Verpflichtungen der Krankenkassen ist die Haftung der Länder insoweit nicht mehr erforderlich.
Rz. 7
Die Enthaftung der Länder ist auch systemgerecht, da die Länder als Aufsichtsbehörden aufgrund der durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz neu geregelten Finanzierungsstruktur der Krankenkassen und dem damit verbundenen einheitlichen Beitragssatz keinen grundlegenden Einfluss auf die Finanzausstattung der ihrer Aufsicht unterstehenden Kassen mehr haben (vgl. BT-Drs. 16/9559 S. 21). Im Rahmen der früher bestehenden Finanzautonomie der Krankenkassen konnten die Aufsichtsbehörden über die Genehmigung der Satzung Einfluss nehmen (§ 195 Abs. 1), die den Beitragssatz zu regeln hatte.
3 Literatur
Rz. 8
Steinmeyer, Krankenkassen zwischen Sozialrecht, Haftung und Insolvenz, NZS 2008 S. 393.