2.1 Wahlrechtserklärung und Kontrahierungszwang (Abs. 1)
Rz. 4
Soweit die Vorschrift von der Ausübung des Wahlrechts gegenüber der gewählten Krankenkasse spricht, ist damit die Erklärung des Versicherten zu verstehen, aufgrund seines Wahlrechts Mitglied einer bestimmten Krankenkasse sein oder werden zu wollen. Für Versicherungspflichtige und bereits freiwillig versicherte Mitglieder beinhaltet diese Erklärung letztlich lediglich die Erklärung zur Bestimmung der Krankenkasse, die für die Krankenversicherung zuständig werden soll (gewillkürte Zuständigkeit, vgl. Vorbem. §§ 173-177 und Komm. § 173 Anm. 4). Das Wahlrecht hat auf die Mitgliedschaft i. S. von Versicherungspflicht nach §§ 5, 186, 190 oder die freiwillige Mitgliedschaft nach §§ 9, 188 keinen Einfluss. Diese Mitgliedschaft in der GKV besteht unabhängig von der Ausübung von Krankenkassenwahlrechten und Zuständigkeiten und das Wahlrecht setzt eine Mitgliedschaft oder zumindest die Beitrittsberechtigung nach § 9 voraus.
Rz. 5
Diese Wahlerklärung ist gegenüber der Krankenkasse abzugeben, die nach dem Willen des Wahlberechtigten für die Durchführung der Mitgliedschaft zuständig sein soll. Als einseitiges Rechtsfolgen auslösendes Gestaltungsrecht setzt dies voraus, dass die Erklärung der Krankenkasse zugehen muss und mit dem Zugang grundsätzlich auch verbindlich wird (§ 130 Abs. 1 und 3 BGB). Erst durch und bei Zugang der Erklärung besteht die Verpflichtung zur Aufnahme als Mitglied. Bei mehrfach abgegebener Wahlerklärung ist die zuerst getroffene Wahl entscheidend, da dadurch auch grundsätzlich die Bindungswirkung eintritt (vgl. Abs. 4 Satz 1) und damit das immer nur einmalig zu einer Krankenkasse ausübbare Recht erlischt. (a.A. Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenverbände, Ziff. 5.1, die bei mehrfach abgegebener Wahlrechtserklärung eine spätere "Auswahlentscheidung" und eine Korrektur bis zum Wirksamwerden der Kündigung für möglich hält.)
Rz. 6
Auf die Wahlerklärung sind die Vorschriften der §§ 104 ff. BGB über Willenserklärungen anwendbar, da keine eigenständigen sozialrechtlichen Regelungen bestehen. Die Erklärung ist einseitig und empfangsbedürftig, auslegungs- und umdeutungsfähig und grundsätzlich auch anfechtbar. Für die Erklärung wird grundsätzlich Rechtsgeschäftsfähigkeit vorausgesetzt. Da andererseits die Krankenversicherungspflicht ungeachtet von Rechts- und Geschäftsfähigkeit kraft Gesetzes eintritt und besteht, erscheint es zweifelhaft, ob man in diesen Fällen die Krankenkassenwahl an der Geschäftsfähigkeit scheitern lassen kann.
Rz. 7
Minderjährige waren bislang wegen fehlender Geschäftsfähigkeit, die auch nicht über § 36 SGB I gegeben war, ohne Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters nicht zur Ausübung des Wahlrechts berechtigt. Durch den mit Wirkung ab 1.1.2000 in Abs. 1 angefügten Satz 3 wurde Minderjährigen ab Vollendung des 15. Lebensjahres das Recht eingeräumt, das Krankenkassenwahlrecht rechtswirksam selbst auszuüben. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/1245 S. 85) waren dazu beispielhaft die Fälle der Versicherungspflicht als Beschäftigte, Waisenrentenbezieher oder aus anderen Gründen genannt. Da die Pflichtversicherung kraft Gesetzes eintritt und ohnehin zu gesetzlich geregelten Pflichtbeiträgen auch des Minderjährigen führt, werden Belange des Minderjährigenschutzes auch nicht grundsätzlich betroffen.
Rz. 8
Obwohl dazu in der Gesetzesbegründung auch ausgeführt worden war, dass das Wahlrecht keine dauerhafte Bindung auslöst, ist in Abs. 4 für die notwendige Kündigung als Voraussetzung für die wirksame Wahl einer anderen Krankenkasse keine Satz 3 entsprechende Regelung eingefügt worden. Ob das Recht zur Ausübung des Wahlrechts daher auch das Recht zur Kündigung einer gewählten Mitgliedschaft beinhaltet oder auf das erstmalige Wahlrecht zur Vermeidung der gesetzlichen Zuständigkeit der letzten Krankenkasse begrenzt ist, ist daher nicht ganz klar. Da andererseits bei Pflichtversicherung aber ohnehin nur gesetzlich geregelte Pflichtbeiträge kraft Gesetzes anfallen, dürften auch einem Kündigungsrecht zur Ausübung des Wahlrechts zu einer anderen Krankenkasse nach Vollendung des 15. Lebensjahres keine Gründe des Minderjährigenschutzes entgegenstehen.
Rz. 9
Eine ausdehnende Anwendung des Satzes 3 auf das Beitrittsrecht (§§ 9, 188) ist nicht möglich, auch wenn dies zusammen mit dem Wahlrecht auszuüben ist. Die Begründung einer freiwilligen Krankenversicherung geht über die Zuständigkeitsbestimmung hinaus und begründet eigene Beitragspflichten (§ 250 Abs. 2). Da der § 175 nunmehr auch für die freiwillig Versicherten gilt, ist zweifelhaft, ob von Satz 3 auch das Wahl- und Kündigungsrecht Minderjähriger nach dem 15. Lebensjahr zu einer anderen Krankenkasse als schon freiwillig Versicherter erfasst wird.
Rz. 10
Als persönliches Recht kann die Wahlerklärung nicht durch Dritte, z. B. den Träger der Sozialhilfe oder Arbeitgeber, abgegeben werden (Ausnahme: Abs. 3 Satz 2, vgl. Anm. 42 ff.). Eine Vertretung bei der Erklärung ist jedoch zulässig, allerdings muss die Vertretungsmacht fristgerecht nachgewiesen w...