Rz. 66
Das Sonderkündigungsrecht bei Beitragssatzerhöhungen war mit dem Gesetz zur Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte v. 27.7.2001 (BGBl. I S. 1946) bisher in Satz 5 nur als Ausnahme von der Bindungsfrist des Satzes 1 geregelt, so dass insbesondere zweifelhaft war, ob dieses Sonderkündigungsrecht nur befristet bestand oder zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden konnte.
Mit dem GMG ist der Satz 5 dahin gehend geändert worden, dass das Sonderkündigungsrecht bis zum Ablauf des auf das In-Kraft-Treten des der Beitragserhöhung folgenden Kalendermonats besteht und bis dahin ausgeübt werden muss. Wie dazu in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird (BT-Drs. 15/1525 S. 137), soll das Sonderkündigungsrecht aus Anlass der Beitragserhöhung nur befristet bestehen, weil bei einer Ausübung des Sonderkündigungsrechts längere Zeit nach der Beitragserhöhung diese möglicherweise nicht mehr in jedem Fall der ausschlaggebende Beweggrund für die Kündigung sei. Aus diesem Grund werde klargestellt, dass das Sonderkündigungsrecht nur innerhalb von zwei Monaten nach dem In-Kraft-Treten der Beitragserhöhung ausgeübt werden kann. Dieser Zeitraum erscheine ausreichend, damit die Mitglieder Kenntnis von der Beitragserhöhung erhalten und die Entscheidung über die Ausübung des Sonderkündigungsrechts treffen können.
Rz. 67
Satz 5 regelt im Falle des Sonderkündigungsrechts nur eine Ausnahme von der Bindungsfrist des Satz 1, d.h., die 18-monatige Bindungsfrist gilt bei einer Beitragssatzerhöhung nicht. Dessen ungeachtet sind aber weiterhin die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung des Kündigungsrechts zu beachten (Sätze 2 bis 4). So muss von dem Sonderkündigungsrecht durch fristgerechte Kündigungserklärung gegenüber der Krankenkasse Gebrauch gemacht werden. Die gekündigte Krankenkasse hat innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen und die Kündigung wird nur dann wirksam, wenn innerhalb der Kündigungsfrist eine (zukünftige) Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse begründet und durch eine Mitgliedsbescheinigung nachgewiesen ist.
Rz. 68
Wird das Sonderkündigungsrecht ausgeübt, gilt dafür auch die Einhaltung der Kündigungsfrist, d.h., die Mitgliedschaft endet nach § 175 Abs. 4 Satz 2 – wie bei anderen Kündigungen auch – erst zum Ende des übernächsten auf die (erklärte) Kündigung folgenden Monats (so BT-Drs. 15/1525 S. 137). Die Befristung des Sonderkündigungsrechts ist daher von der einzuhaltenden Kündigungsfrist strikt zu unterscheiden. Je nachdem, ob von dem Sonderkündigungsrecht im ersten oder zweiten Monat nach der Beitragssatzerhöhung Gebrauch gemacht wird, bedeutet dies eine noch drei- oder viermonatige weitere Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse und mit dem erhöhten Beitragssatz.
Rz. 69
Das Sonderkündigungsrecht ist von einer Erhöhung des Beitragssatzes durch die Krankenkasse abhängig; die Änderung gesetzlicher Beitragssätze (§§ 245, 247, 248) gewährt kein Sonderkündigungsrecht. Unter Erhöhung des Beitragssatzes dürfte wohl die des allgemeinen Beitragssatzes nach § 241 zu verstehen sein, aus dem sich die anderen Beitragssätze ableiten. Auf die Gründe der Beitragssatzerhöhung kommt es nicht an. Eine durch den Risikostrukturausgleich oder durch gesetzgeberischere Maßnahmen bedingte Erhöhung des Beitragssatzes löst das Sonderkündigungsrecht ebenso aus, wie auch eine gesteigerte Inanspruchnahme von Leistungen der Mitglieder. Auf die Frage, ob der Versicherungspflichtige von dieser Beitragssatzerhöhung unmittelbar betroffen ist, kommt es nicht an.
Rz. 70
Umstritten ist nach wie vor die Frage, ob Beitragssatzerhöhungen im Zusammenhang mit der Vereinigung (Fusion) von Krankenkassen ein Sonderkündigungsrecht gewähren. Das LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 16.12.2003, L 4 KR 33/00, ErsK 2004 S. 51 (noch nicht rechtskräftig und zur Rechtslage 1998) hat dazu die Auffassung vertreten, dass auch in diesen Fällen ein Sonderkündigungsrecht besteht, weil die vereinigte Krankenkasse in die Rechtsnachfolge der früheren Krankenkasse eintritt und somit eine Beitragssatzfestsetzung durch die Vertreterversammlung der neuen Krankenkasse wie ein Handeln der Vertreterversammlung der alten Krankenkasse und eine Beitragssatzerhöhung darstellt. Dieser Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen, denn es bestehen keine grundsätzlichen Unterschiede darin, ob zunächst die an der Fusion beteiligten Krankenkassen ihren Beitragssatz angleichen und sich dann vereinigen oder ob die Vereinigung mit einer neuen den Beitragssatz regelnden Satzung erfolgt. Würde man die Auffassung vertreten, dass durch die Vereinigung eine neue Krankenkasse mit eigenem Beitragssatz entsteht, so dass keine Erhöhung des Beitragssatzes der Krankenkasse der Mitgliedschaft besteht, dann müsste man konsequent auch die Bindungsfrist des Abs. 4 Satz 1 in Frage stellen, denn die neue Krankenkasse war nicht die gewählte, der gegenüber die Bindungsfrist von 18 Monaten bestand, so dass dann sogar ein jederzeitiges Kündi...