Rz. 9
Bislang enthielt § 20 Abs. 4 IfSG eine Ermächtigungsgrundlage für das Bundesministerium für Gesundheit, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass die Kosten für bestimmte Schutzimpfungen von den Trägern der Krankenversicherung nach dem 3. Abschnitt des 3. Kapitels des SGB V für ihre Versicherten getragen werden sollten.
Diese Ermächtigung war eine sozialversicherungsrechtliche Regelung, da sie nur Schutzimpfungen von bei der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen umfasste. Die Änderung von Abs. 3 durch das TVSG (Rz. 3c) verwies nur auf die Verordnungsermächtigung von § 20 Abs. 4 IfSG. Die bis dahin durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften zum 9.12.2014 (Rz. 2a) in Abs. 3 Satz 2 eingeführte Regelung, wonach für Kinder und Jugendliche aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, deren Krankenversicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung zum Zeitpunkt der Schutzimpfung nicht abschließend feststand, die gesetzliche Krankenversicherung die Erstattung der Kosten für den Impfstoff übernahm, entfiel im SGB V. Das AMVSichG (Rz. 2d) hat nunmehr die Verordnungsermächtigung von § 20 Abs. 4 IfSG in § 20i Abs. 3 verschoben. Die Norm fasst jetzt einheitlich die Tatbestände zusammen, nach denen Versicherte bei der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Schutzimpfungen oder auf bestimmte andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe haben.
Rz. 10
Die Verordnungsermächtigung nach Abs. 3 Satz 1 soll insbesondere in eiligen Notfällen sicherstellen, dass die Kostentragung für bestimmte Schutzimpfungen für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung klar geregelt ist (so ausdrücklich amtl. Begründung in BT-Drs. 19/10681 S. 84). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Änderung der Schutzimpfungs-Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zu der jeweiligen Schutzimpfung noch nicht erfolgt ist. Eine Kostentragungsregelung kann auch für andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe notwendig sein, wenn z. B. Einzelfallentscheidungen zur Erstattung nicht abgewartet werden können oder eine einheitliche Handhabung nicht sichergestellt ist. Als Beispielsfälle nennt die amtliche Begründung insoweit für die Empfehlung einer prophylaktischen Gabe von antiviralen Arzneimitteln bei einer Influenzapandemie, falls noch keine oder nicht ausreichende Pandemieimpfstoffe zur Verfügung stehen.
Rz. 11
Abs. 3 Satz 2 (i. d. F. bis zum 22.5.2020) gewährte den Versicherten einen korrespondierenden Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfung oder für andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe, sofern das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung nach Satz 1 festgelegt hat, dass die Kosten für bestimmte Schutzimpfungen oder für bestimmte andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe von den Trägern der Krankenversicherung getragen werden.
Rz. 12
Abs. 3 Satz 2 in der ab 23.5.2020 (nur bis 18.11.2020) geltenden Fassung durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (vgl. Rz. 2f) schafft eine weitere Verordnungsermächtigung zugunsten des Bundesministeriums für Gesundheit. Die endgültige Fassung der Norm beruht auf dem Beschluss des 14. Ausschusses (BT-Drs. 19/19216 S. 47 f.). Sie trägt nur zum Teil der massiven Kritik am Regierungsentwurf Rechnung, die insbesondere vom AOK-Bundesverband u. a. im Hinblick auf die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage und die finanziellen Konsequenzen für die gesetzliche Krankenversicherung geübt worden war (https://aok-bv.de/imperia/md/aokbv/positionen/stellungnahmen/aok_stellungnahme_2.gebevlkg.pdf).
Das BMG wird, sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Abs. 1 IfSG eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat, ermächtigt, nach Anhörung der Ständigen Impfkommission und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, dass Versicherte (Satz 2 Nr. 1) einen Anspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung auf Testungen auf eine Infektion oder Immunität in Bezug auf bestimmte übertragbare Krankheiten haben. Damit soll sichergestellt werden, dass auch dann Testungen von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden müssen, wenn keine Symptome für Covid-19 vorhanden sind. Der Gesetzgeber hat sich dabei von der "verbreiteten Forderung der Wissenschaft nach repräsentativen bevölkerungsmedizinischen Tests" leiten lassen (so BT-Drs. 19/19216 S. 107). Für Testungen aufgrund vorhandener Symptomatik greift nach wie vor § 27. Ebenso können Tests auch im Umfeld besonders gefährdeter Personen durchgeführt werden. Entsprechendes soll für mögliche Tests zum Nachweis einer erworbenen Immunität in Bezug auf Covid-19 gelten, soweit vom Standpunkt der medizinischen Wissenschaft sichergestellt ist, dass eine Immunität gegen Covid-19 für einen längeren Zeitraum möglich und eine gleichzeitige Ansteckungsfähigkeit ausges...