2.1 Vorsätzlicher Verstoß gegen die Anzeigepflicht (Abs. 1)
Rz. 9
Der Vorstand einer Krankenkasse hat deren
- Zahlungsunfähigkeit,
- drohende Zahlungsunfähigkeit oder
- Überschuldung
(Insolvenzgründe; §§ 16 bis 19 InsO) unverzüglich der zuständigen Aufsichtsbehörde unter Beifügung aussagefähiger Unterlagen anzuzeigen (§ 160 Abs. 2 Satz 1). Ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Anzeigepflicht ist strafbar.
Rz. 10
- Eine Krankenkasse ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Dies ist i. d. R. anzunehmen, wenn sie ihre Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO).
- Eine Krankenkasse droht zahlungsunfähig zu werden, wenn sie voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO).
- Eine Krankenkasse ist überschuldet, wenn ihr Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die Überschuldung ist nicht anzuzeigen, wenn die Fortführung der Krankenkasse nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Davon ist auszugehen, wenn die Aufsichtsbehörde die Situation kennt und die Krankenkasse nicht schließt.
Rz. 11
Die Anzeige ist eine sozialrechtliche Pflicht, die von der Aufsichtsbehörde mit Aufsichtsmitteln sowie mit Verwaltungszwang durchgesetzt werden kann (§ 89 Abs. 1 SGB IV).
Rz. 12
Strafbedroht sind der
- hauptamtliche Vorstand einer Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkasse sowie Ersatzkasse (§ 35a Abs. 1 Satz 1 SGB IV) sowie
- ehrenamtliche Vorstand der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als Träger der Krankenversicherung der Landwirte und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der Krankenversicherung (§ 31 Abs. 1 SGB IV),
Die Geschäftsführer der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See sind durch die Norm nicht erfasst.
Rz. 13
Andere Personen als Vorstände einer gesetzlichen Krankenkasse können sich wegen Beihilfe (§ 27 StGB) oder Anstiftung (§ 26 StGB) zur Tat strafbar machen.
Rz. 14
Bei einem mehrköpfigen Vorstand macht sich das Vorstandsmitglied strafbar, in dessen Zuständigkeitsbereich die Anzeigepflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde fällt. Ist der unterlassenen Anzeige eine Abstimmung vorausgegangen, ist ggf. nach dem Stimmverhalten über das Verschulden einzelner Vorstandsmitglieder zu entscheiden.
Rz. 15
Bestraft wird das Unterlassen der Anzeige sowie die unvollständige, unrichtige oder verspätete Abgabe. Voraussetzung ist ein vorsätzlich Verstoß gegen die Anzeigepflicht (direkter Vorsatz oder bedingter Vorsatz). Von einem Entschuldigungsgrund des Verbotsirrtums (§ 17 StGB) kann bei einem Krankenkassenvorstand nicht ausgegangen werden.
Rz. 16
Bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Anzeigepflichten wird der Täter mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Für die Strafbemessung gelten die Vorschriften der §§ 38ff. StGB. Zu berücksichtigen sind die Bedeutung bzw. Schwere der Tat, das Ausmaß der Schuld des Täters und seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB).
2.2 Fahrlässiger Verstoß gegen die Anzeigepflicht (Abs. 2)
Rz. 17
Hat der Täter fahrlässig gegen seine Anzeigepflicht verstoßen, wird er mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft. Für die Strafbemessung gelten die Vorschriften der §§ 38ff. StGB. Zu berücksichtigen sind die Bedeutung bzw. Schwere der Tat, das Ausmaß der Schuld des Täters und seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB).
Rz. 18
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Die zivilrechtliche Norm ist auch im Strafrecht anzuwenden, weil es im Strafgesetzbuch an einer eigenständigen Definition fehlt.