0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 8 des Gesetzes zur Beitragsentlastung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versichertenentlastungsgesetz – GKV-VEG) v. 11.12.2018 (BGBl. I S. 2387) mit Wirkung zum 1.1.2019 mit der Paragrafennummer 323 in das SGB V eingefügt. Die Regelung verpflichtet die Krankenkassen, ihren Mitgliederbestand um "passive" Mitgliedschaften nach § 188 Abs. 4 ohne Beitragszahlung oder Leistungen zu bereinigen.
Rz. 2
Art. 5 Nr. 35 des Gesetzes für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz – GKV-FKG) v. 22.3.2020 (BGBl. I S. 604) hat die Vorschrift mit Wirkung zum 1.4.2020 redaktionell überarbeitet und u. a. an die Umbenennung des Bundesversicherungsamtes in Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) angepasst.
Rz. 3
Art. 1 Nr. 36 des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG) v. 14.10.2020 (BGBl. I S. 2115) hat die Vorschrift mit Wirkung zum 20.10.2020 ohne inhaltliche Änderungen an den neuen Regelungsstandort (§ 410) angepasst. Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Neuverortung der bisherigen §§ 314 bis 330 in den §§ 401 bis 417.
Rz. 3a
Art. 83 des Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz – DVPMG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1309) hat das 15. Kapitel neu gefasst und die Vorschrift mit Wirkung zum 9.6.2021 ohne inhaltliche Änderungen an den neuen Standort (408) verschoben. Die Neufassung des 15. Kapitels dient ausschließlich der Korrektur mehrerer redaktioneller Versehen aufgrund sich überschneidender Gesetzgebungsverfahren.
1 Allgemeines
Rz. 4
Die Übergangsvorschrift beabsichtigt, den Mitgliederbestand um "passive" freiwillige Mitgliedschaften im Wege der obligatorischen Anschlussversicherung (§ 188 Abs. 4) zu bereinigen. Damit wird das Niveau der Beitragsschulden reduziert und realistischer abgebildet. Die Bereinigungsdaten sind an das BAS zu melden und haben ggf. rückwirkenden Einfluss auf den Risikostrukturausgleich. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot ist damit nicht verbunden (A. Becker, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 410 Rz. 6 m. w. N.)
2 Rechtspraxis
2.1 Bestandsbereinigung (Abs. 1)
Rz. 5
Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihren Mitgliederbestand um "passive" freiwillige Mitgliedschaften zu bereinigen (§ 191 Nr. 4), die nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder nach dem Ende der Familienversicherung durch § 188 Abs. 4 Satz 1 (obligatorische Anschlussversicherung) fortgeführt wurden. Der Bestand ist um Mitgliedschaften zu bereinigen, die weder zur Beitragszahlung noch zur Inanspruchnahme von Leistungen geführt haben. Die Maßnahme ist für die Zeit vom 1.8.2013 (Inkrafttreten von § 188 Abs. 4) bis zum Inkrafttreten der Neuregelung nach § 188 Abs. 4 Satz 4 und § 191 Nr. 4 am 1.1.2019 durchzuführen. Entsprechende Mitgliedschaften sind rückwirkend aufzuheben (BT-Drs. 19/4454 S. 30).
2.2 Passive Mitgliedschaften (Abs. 2)
Rz. 6
Passive Mitgliedschaften, die als obligatorische Anschlussversicherung (§ 188 Abs. 4) fortgesetzt wurden, sind von ihrem Beginn an rückwirkend aufzuheben. Das gilt für daraus abgeleitete Familienversicherungen (§ 10) entsprechend. Die Regelung erfasst Versicherungen, wenn
- die Krankenkasse im Rahmen der Mitwirkungspflichten (§ 60 SGB I) keinen Kontakt zum Mitglied herstellen konnte,
- keine Beiträge gezahlt wurden und
- das Mitglied und evtl. familienversicherte Angehörige keine Leistungen in Anspruch genommen haben.
An einem Kontakt zum Mitglied fehlt es insbesondere dann, wenn der Aufenthalt im Geltungsbereich des deutschen Sozialrechts nicht festgestellt werden konnte bzw. keinerlei Mitwirkung des Mitglieds erfolgt ist (BT-Drs. 19/4454 S. 30 f.). Der Versand eines Schreibens zur Klärung der versicherungs- und beitragsrechtlichen Verhältnisse stellt für sich genommen keinen Kontakt zum Mitglied dar. Vielmehr muss die Ermittlung, ob Zugangshindernisse (z. B. durch Wohnungswechsel, Ortsabwesenheit) im konkreten Einzelfall bestanden haben, nachweisbar sein (z. B. durch entsprechende Aktenvermerke). Dies ist für die Krankenkassen mit vertretbarem Verwaltungsaufwand feststellbar.
2.3 Meldung an das BAS (Abs. 3)
Rz. 7
Die bereinigten Daten waren dem BAS bis zum 15.6.2019 zu melden. Das Verfahren wurde durch das BAS geregelt (www.bundesamtsozialesicherung.de/de/themen/risikostrukturausgleich/verfahrensbestimmungen; abgerufen: 17.5.2021).
2.4 Bereinigungsbetrag (Abs. 4)
Rz. 8
Der Bereinigungsbetrag wird durch das BAS ermittelt und durch einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) geltend gemacht. Klagen gegen den Bescheid haben keine aufschiebende Wirkung. Die Einnahmen fließen an den Gesundheitsfonds.
2.5 Sonderprüfung (Abs. 5)
Rz. 9
Das BAS und die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder führen nach der Bestandsbereinigung eine Sonderprüfung durch. Darin wird festgestellt, ob die Vorgaben (Abs. 1, 2) für die Bestandsbereinigung eingehalten wurden. Ergibt sich daraus ein Korrekturbetrag, wird dieser mit einem Aufschlag von 25 % durch einen Verwaltungs...