Rz. 150
Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld verlängert sich für die Zeit nach der Entbindung nicht nur bei Mehrlings- und Frühgeburten auf einen Zeitraum von 12 (statt 8) Wochen, sondern auch, wenn bei dem Säugling eine Behinderung i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ärztlich festgestellt wird (§ 24i Abs. 3 Satz 2). Das setzt voraus, dass vor Ablauf von 8 Wochen nach der Entbindung
Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld für die Dauer von 12 Wochen nach der Entbindung besteht auch dann, wenn es sich um ein totgeborenes oder während des Geburtsvorgangs verstorbenes Kind handelt, sofern bei dem Kind eine Behinderung festgestellt wurde (GR v. 06.12.2017-II i. d. F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.2.1.2.1).
Diese Regelung wirkt für Geburten ab dem 30.5.2017 (vgl. Rz. 1).
Rz. 151
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Danach zählen zum Personenkreis mit Behinderung Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern. Bezüglich der weiteren Definition der Behinderung wird auf die Komm. zu § 2 SGB IX verwiesen.
Die (bereits bestehende) Behinderung des Säuglings muss durch einen Arzt festgestellt und bescheinigt werden; eine Feststellung/Bescheinigung durch andere Berufsgruppen (z. B. Hebammen) ist nicht zulässig.
Die Bescheinigung über das Vorliegen einer Behinderung ist an keine besondere Form gebunden. Die Behinderung kann allerdings vom Arzt seit dem 1.7.2018 auch auf dem in der vertragsärztlichen Versorgung verwendeten Vordruck Muster 9 ("Bescheinigung einer Frühgeburt oder einer Behinderung des Kindes") nachgewiesen werden. Diese Bescheinigung ist nur für die Krankenkasse bestimmt.
Eine drohende Behinderung (Feststellung einer chronischen Erkrankung, die später einmal zur Behinderung führen kann) reicht für die Verlängerung des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld nicht aus.
Rz. 152
Mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. wurde vereinbart, dass die Krankenkasse den Arbeitgeber, der für die gleiche Zeit den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld zu zahlen hat, über den Tatbestand des verlängerten Anspruchs auf Mutterschaftsgeld informiert, sofern die Versicherte dies wünscht (letzteres geschieht durch Ausfüllen der Rückseite des Vordrucks Muster 9, Stand: 4/2019). Danach teilt die Krankenkasse dem Arbeitgeber den Zeitraum des (verlängerten) Mutterschaftsgeldzeitraums mit, ohne ihn darüber zu informieren, weshalb der Mutterschaftsgeldanspruch für 12 Wochen nach der Entbindung besteht. Dieses geschieht seit dem 1.1.2018 im Rahmen des Datenaustausches "Entgeltersatzleistungen" nach § 107 SGB IV (Datenbaustein Ende "Entgeltersatzleistung", Feld 3.7.4. "Grund der Beendigung der Entgeltersatzleistung", Grund "06 – Ende Mutterschaftsgeld bei Vorliegen eines Verlängerungstatbestandes"). Der Arbeitgeber bleibt also uninformiert darüber, ob der lange Zeitraum des Mutterschaftsgeldbezuges durch eine Früh-, Mehrlings- oder durch einen sonstigen Grund (Säugling mit Behinderung) begründet wird (Abschn. 9.2.1.2.1 des GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022).
Auf der Rückseite des Vordrucks Muster 9 (Stand: 4/2019) hat die Mutter zu erklären, dass sie einverstanden ist, wenn die Krankenkasse ihren Arbeitgeber über die verlängerte Auszahlung des Mutterschaftsgelds informiert (vgl. Vordruckmustersammlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung unter http://www.kbv.de/media/sp/02_Mustersammlung.pdf).
Frauen, die vor dem Bezug von Mutterschaftsgeld Arbeitslosengeld bezogen, erhalten von der Krankenkasse eine Bescheinigung über den Zeitraum der Zahlung von Mutterschaftsgeld mit dem Hinweis, die zuständige Agentur für Arbeit zu informieren.