2.1 Beitragsbemessung durch den Spitzenverband Bund (Abs. 1)
2.1.1 Regelung des Beitragsrechts
Rz. 4
Seit dem 1.1.2009 wird das Finanzierungsmodell der gesetzlichen Krankenkassen durch den Gesundheitsfonds (§ 271) geregelt. Das Bundesversicherungsamt verwaltet den Gesundheitsfonds und verteilt an die Krankenkassen Zuweisungen zur Deckung ihrer Ausgaben. Seit der Einrichtung des Gesundheitsfonds besteht für die Krankenkassen kein originäres Interesse mehr an der Beitragseinstufung für freiwillig Versicherte. Der Gesetzgeber hielt es daher für erforderlich, einheitliche, kassenartenübergreifende Regelungen zu schaffen. Außerdem sollten so Verwerfungen im Wettbewerb ausgeräumt werden, da die Krankenkassen keine Möglichkeiten mehr haben, günstigere beitragsrechtliche Einstufungen mit dem Ziel der Mitgliederbindung/-gewinnung vorzunehmen (vgl. BT-Drs. 16/3100 S. 163). Seit dem 1.1.2009 legt daher der Spitzenverband Bund (vgl. §§ 217a ff.) die Grundsätze für die Beitrageinstufung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen fest. Die Satzungskompetenz der Krankenkassen diesbezüglich entfiel zu diesem Zeitpunkt. Der Spitzenverband Bund hat am 27.10.2008 einheitliche Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) beschlossen. Eine Ausweitung oder Verbreiterung der Beitragsbemessungsgrundlagen ist weder durch das GKV-WSG noch durch die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler beabsichtigt, wobei es in Abhängigkeit von der bisherigen Beitragsfestsetzung zu Beitragsmehrbelastungen kommen kann (vgl. auch Teil A zur Begründung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Die Grundsätze beschreiben nicht im Einzelnen sondern in allgemeiner, generalklauselartiger Form, welche Einnahmen zur Beitragsbemessung heranzuziehen sind. Die bisher maßgebliche Rechtsprechung ist dabei weiterhin zu beachten.
Rz. 5
Bis zur Einführung des SGB V wurden die beitragspflichtigen Einnahmen nach § 180 Abs. 4 RVO durch die Einnahmen zum Lebensunterhalt bestimmt. Nunmehr muss nach Satz 2 die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt werden. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss v. 6.12.1988, 2 BvL 18/84, bestätigt. Umgekehrt bedeutet diese Regelung allerdings nicht, dass der Beitragsberechnung automatisch bestimmte Einnahmen zum Lebensunterhalt unterstellt werden können, ohne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu prüfen. Hiermit sind vielmehr alle Einnahmen und Geldmittel gemeint, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung (vgl. BT-Drs. 11/2237 S. 225). Daher werden nicht nur Einnahmen, die unmittelbar auf ein früheres Beschäftigungsverhältnis oder auf eine frühere Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind, sowie Arbeitseinkommen bei der Beitragsberechnung berücksichtigt; auch Einnahmen aufgrund betriebsfremder privater Eigenvorsorge gehören zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit i. S. d. Satzes 2. Diesen Grundsatz hat auch das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet (hier: Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung bei freiwillig versicherten Rentnern, vgl. BVerfG, Beschluss v. 3.2.1993, 1 BvR 1920/92).
Rz. 6
Eine Fiktion tatsächlich nicht erzielter Einnahmen ist allerdings nicht zulässig, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch tatsächliche und nicht durch fiktive Einnahmen bestimmt wird. Das Wort "mindestens" in Abs. 4 bedeutet lediglich, dass Mindesteinnahmen in der dort genannten Höhe fingiert werden, soweit tatsächlich geringere oder keine Einnahmen vorhanden sind (vgl. BSG, Urteil v. 15.9.1992, 12 RK 51/92). Ebenfalls ist es nicht zulässig, von beitragspflichtigen Einnahmen mehrfach Beiträge zu erheben. So dürfen seit dem 1.4.1999 aus dem Arbeitsentgelt einer geringfügigen Beschäftigung neben dem Pauschalbeitrag nach § 249b Beiträge von freiwilligen Mitgliedern nicht mehr erhoben werden (vgl. BSG, Urteil v. 16.12.2003, B 12 RK 20/01 R).
Rz. 7
Die Auskunfts- und Mitteilungspflichten freiwilliger Mitglieder oder Personen, die als freiwillige Mitglieder in Betracht kommen, ergibt sich aus § 206 SGB V. Einzelheiten zu den Zeiträumen der Überprüfung der beitragspflichtigen Einnahmen der freiwilligen Mitglieder haben die Spitzenverbände in die Beitragsverfahrensgrundsätze aufgenommen. Eine regelmäßige Überprüfung hat nach § 6 Abs. 2 Satz 2 spätestens 12 Monate nach der letzten Feststellung zu erfolgen. Wird mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen, dass sich die beitragspflichtigen Einnahmen nicht verändern, kann dieser Zeitraum auf bis zu 24 Monate ausgedehnt werden. Die Ausnahmeregelung ist allerdings eng auszulegen. In Betracht kommen Mitglieder, die nur eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, wenn innerhalb des Zeitraums seit der letzten Einkommensüberprüfung keine Rentenanpassung stattgefunden hat. Angesprochen sind ferner m...