2.4.1 Palliative Versorgung (Abs. 1 Satz 3)
Rz. 51
Die Palliativversorgung ist gemäß Abs. 1 Satz 3 integraler Bestandteil aller in Satz 2 genannten Leistungsbereiche der Krankenbehandlung. Der allgemeine Leistungsanspruch wird durch die nachfolgenden gesetzlichen Regelungen zur allgemeinen Palliativversorgung und -beratung, zu der Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und zu den ambulanten und stationären Hospizleistungen (§ 39a) näher konkretisiert.
2.4.2 Besondere Bedürfnisse psychisch Kranker (Abs. 1 Satz 4)
Rz. 52
Allgemein hat der Gesetzeswortlaut (ursprünglich Abs. 1 Satz 3) hervorgehoben, dass den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen ist.
Dieser ursprünglich ausfüllungsbedürftige Programmsatz hat nunmehr durch § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. § 92 Abs. 6a konkretere Formen gewonnen. Die Versorgung mit Psychotherapie in der gesetzlichen Krankenversicherung hat erstmals eine ausdrückliche Regelung erfahren. Psychotherapeuten sind ebenso wie bisher schon Ärzte zur psychotherapeutischen Behandlung des Versicherten zugelassen, wenn sie die Approbation und die notwendige in den Psychotherapie-Richtlinien des Bundesausschusses im Einzelnen geregelte Qualifikation in den in der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannten Behandlungsverfahren nachweisen bzw. der Übergangsregelung unterfallen. Klargestellt ist nunmehr, dass die psychotherapeutische Behandlung Teil der ärztlichen Behandlung ist und dieser Teil der ärztlichen Behandlung auch vom Psychotherapeuten erbracht werden kann (vgl. § 28 Abs. 3).
2.4.3 Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit (Abs. 1 Satz 5)
Rz. 53
Abs. 1 Satz 5 bezieht in die Krankenbehandlung Leistungen zur Herstellung oder Wiederherstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit unter den dort genannten Voraussetzungen ein. Leistungen für eine künstliche Befruchtung waren in Satz 5 der Ursprungsfassung zunächst gänzlich ausgeschlossen worden. Nunmehr sieht jedoch § 27a in einem bestimmten Rahmen eine solche Maßnahme zwischen Eheleuten (homologe Insemination) als Kassenleistung vor (vgl. im Einzelnen die Komm. zu § 27a). Von der Leistungspflicht ausgeschlossen sind hingegen weiterhin die heterologe Insemination und die Ersatzmutterschaft.
Nicht nur die eingetretene krankheitsbedingte Empfängnisunfähigkeit ist gemäß § 27 Abs. 1 Satz 5 eine Krankheit (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des SGB V, BT-Drs. 11/2237 S. 170 zu § 27; vgl. zur eingetretenen schicksalhaften Unfruchtbarkeit BSGE 59, 119; vgl. auch BSGE 85, 36), sondern auch bereits der therapiebedingt drohende Eintritt der Empfängnisunfähigkeit (BSG, Urteil v. 17.2.2010, B 1 KR 10/09 R – Kryokonservierung).
2.4.4 Leistungen bei drittverursachten Gesundheitsschäden (Abs. 1 Satz 6)
Rz. 54
Schon nach bisherigem Recht besteht nach § 27 ein Versorgungsanspruch der Versicherten, die Opfer einer Vergewaltigung, eines sexuellen Übergriffs, eines sexuellen Missbrauchs, einer sexuellen Nötigung oder einer Misshandlung sind. Dieser umfasst u.a das ärztliche Gespräch, die körperliche Untersuchung einschließlich der Feststellung von Verletzungen und Spuren, die ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, die Abklärung von Maßnahmen zum gesundheitlichen Schutz, wie z. B. Impfungen oder die notwendige Dokumentation, und die im Übrigen von Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 abgedeckten Leistungsansprüche. Über diese Leistungen hinaus ist auf Initiative des 14. Ausschusses durch das Gesetz zum Schutz vor Masern und zur Stärkung der Prävention ab 1.3.2020 (Rz. 7g) in Abs. 1 Satz 6 ein weitergehender Anspruch der Versicherten auf Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper bei Verdacht auf eine Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung begründet worden. Angesichts der von verschiedenen Seiten geforderten flächendeckenden Refinanzierung derartiger Leistungen sah der Gesetzgeber Handlungsbedarf bei Misshandlungen und sexualisierter Gewalt. Straf- oder zivilrechtliche Verfahren haben angesichts der schwierigen Beweissituation nur dann überhaupt eine Aussicht auf Erfolg, wenn eine derartige Spurensicherung erfolgt. Die bereits bestehenden Angebote, eine Spurensicherung für die Opfer kostenlos vorzunehmen, sind nicht ausreichend. Eine Kostentragung durch die Polizei setzt voraus, dass eine vorausgehende bzw. gleichzeitige Strafanzeige bei den Strafverfolgungsbehörden erfolgt, die Opfer derartiger Taten aus verständlichen Gründen oft scheuen.
Rz. 55
Der neu begründete Leistungsanspruch mit der Möglichkeit einer vertraulichen Spurensicherung schafft einen niedrigschwelligen Zugang zur Beweissicherung. Der Anspruch ist allerdings begrenzt auf Sachverhalte, die einen Hinweis auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge der im Einzelnen im Gesetz genannten Tatbestände sein können, haben. Er eröffnet keinen generellen Anspruch für alle Opfer jeglicher Gewalt (BT-Drs. 19/15164 S. 60). Erfasst werden Leistungen zur Sicherung von beweistechnisch relevanten Spuren und eine den Anforderungen an eine Spurensicherung entsprechende Dokumentation beispielsweise der Verletzungen sowie Laborleistungen, wie z. B. Untersuchungen auf sogenannte K.O.-Tropfen oder Alkohol. Angesicht...