Rz. 56
Bei der Anwendung von Abs. 1a ist der gesetzgeberischen Intention Rechnung zu tragen. Bei der Schaffung der Norm war es ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers, im Hinblick auf die Förderung der Organspende eine vergleichbare Absicherung der Spender von Organen und Geweben unabhängig vom Versichertenstatus des Organempfängers zu gewährleisten. Alle beteiligten Kostenträger sollen deswegen ein möglichst reibungsloses und insbesondere auch für den Organspender unbürokratisches Verfahren einschließlich des Austausches der für die Leistungserbringung erforderlichen Daten sicherstellen, auch um die Belastung der Versicherten durch Auskünfte und Mitteilungen, etwa nach § 206, so gering wie möglich zu halten. Im Hinblick auf die Kostenträger auf der Ebene der Länder (etwa der Beihilfe) geht der Gesetzgeber davon aus, dass die neuen bundesgesetzlichen Regelungen, soweit erforderlich, zur Verbesserung der Absicherung des Organlebendspenders zeitnah in den landesgesetzlichen Vorschriften nachempfunden werden (so ausdrücklich die amtl. Begründung, BT-Drs. 17/9773 S. 37). Der GKV-Spitzenverband und die Verbände der Krankenkasse auf Bundesebene haben durch das Gemeinsame Rundschreiben v. 19.4.2013 zu den leistungsrechtlichen Auswirkungen des Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes Einzelheiten insbesondere zum Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Krankengeld bei Spende von Organen oder Geweben sowie zum Leistungsumfang des Anspruchs auf Krankenbehandlung und zum Gesundheitsschaden im Zusammenhang mit der Spende vom Blut oder körpereigenen Organen, Organteilen oder Gewebe niedergelegt, die diesem Anliegen Rechnung tragen.
Rz. 57
Nach § 27 Abs. 1a besteht ab 1.8.2012 ein gesetzlicher Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung für lebende Spender von Organen oder Geweben (Spender) bei einer nach § 8 und 8a des Transplantationsgesetzes (TPG) erfolgten Spende von Organen oder Geweben zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern). Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 12.12.1972, 3 RK 47/70) war die Organspende ein Teil der Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit des Empfängers oder zur Besserung seines Zustandes. Damit war die Übertragung von körpereigenem Gewebe auf einen Dritten ein Teil der Krankenhilfe für den Organempfänger. Die Aufwendungen für die ambulante oder stationäre Behandlung des Organspenders waren als Nebenleistung zu der dem Empfänger zu gewährenden Krankenhilfe von dessen Krankenkasse zu tragen. Dazu gehörte auch der Verdienstausfall des Spenders, der in Folge der mit der Organentnahme verbunden Arbeitsunfähigkeit entstand. Unbeantwortet blieb aber vor allem die Frage, ob eine subsidiäre Leistungspflicht der Krankenkasse des versicherten Spenders bestand, wenn der Empfänger nicht versichert war. Die erstmalige gesetzliche Regelung schafft nun einen eigenen Anspruch auf Krankenbehandlung für den Spender gegenüber der Krankenkasse des Empfängers von Organen oder Gewebe (Abs. 1a Satz 4), der nicht von einem Leistungsanspruch des Empfängers abhängig ist. Leistungen der Krankenbehandlung beinhalten die im Rahmen des Transplantationsgesetzes erfolgende Spende von Organen oder Geweben einschließlich der bei den Spendern medizinisch erforderlichen Vor- und Nachbetreuung aufgrund eines eigenen Anspruchs des Spenders. Dieser Anspruch umfasst mithin insbesondere
- die ambulante und stationäre Behandlung des Spenders,
- die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung,
- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie
- die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und
- erforderliche Fahrtkosten (Abs. 1a Satz 2).
Die Krankenkasse des Empfängers hat auch die Kosten zu tragen, die aufgrund des Umfangs des Versicherungsschutzes des Spenders über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus (z. B. Leistungen für ein Zweibettzimmer oder Chefarztbehandlung) entstehen (Abs. 1a Satz 2 HS 2). Damit soll sichergestellt werden, dass für den Spender mit der Spende keine Einschränkung seiner krankenversicherungsrechtlichen Absicherung verbunden ist (amtl. Begründung, BT-Drs. 17/9773 S. 37). Von etwaigen Zuzahlungen ist der Spender befreit (Abs. 1a Satz 3).
Rz. 58
Nicht erfasst von der Regelung wurde zunächst die Krankenbehandlung bei Entnahme von Organen oder Geweben im Rahmen einer medizinischen Behandlung einer Person nach § 8b Abs. 1 TPG, wie z. B. die Entnahme von Knochen im Zusammenhang mit der Übertragung eines künstlichen Gelenks oder sonstige Operationsreste, die weiterverwendet werden, oder die Gewinnung von Samenzellen nach § 8b Abs. 2 TPG, die für eine medizinisch unterstützte Befruchtung bestimmt sind. Das GKV-VSG (vgl. Rz. 7b) hat nunmehr durch die Änderung von Abs. 1a Satz 1 klargestellt, dass die gesetzliche Absicherung für alle unterschiedlichen Spendevorgänge gleichermaßen erfasst wird. Der Gesetzgeber hat damit der Praxis der Krankenkassen Rechnung getragen. In Satz 4 ist der Kreis der Empfäng...