Rz. 9
Der Anspruch auf Soziotherapie umfasst die Koordination der im Rahmen des Betreuungsplans zur Verfügung gestellten Hilfsangebote sowie die Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme der Leistungen mit dem Ziel der selbstständigen Inanspruchnahme der Leistungen (Abs. 1 Satz 2). Die Behandlungselemente werden nach den entsprechenden leistungsrechtlichen Vorschriften von den zuständigen Leistungsträgern erbracht, wobei Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Arztes mit dem Leistungserbringer in Richtlinien nach § 92 zu regeln sind (Abs. 2 Nr. 5). Diese Vorgabe ist in § 8 ST-RL umgesetzt worden.
Rz. 10
Den Leistungsinhalt konkretisiert § 3 Abs. 2 ST-RL wie folgt:
Zunächst ist der sozialtherapeutische Betreuungsplan zu erstellen. Dabei wirken verordnender Arzt, soziotherapeutischer Leistungserbringer und Patient/in zusammen. Behandlungsmaßnahmen und Leistungen sind zu koordinieren. Hierzu hat der soziotherapeutische Leistungserbringer die Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung und verordneter Leistungen für den Patienten gemäß dem Betreuungsplan zu koordinieren. Dies umfasst sowohl aktive Hilfe und Begleitung als auch Anleitung zur Selbsthilfe. Der soziotherapeutische Leistungserbringer soll den Patienten zu Selbstständigkeit anleiten und ihn von der soziotherapeutischen Betreuung unabhängig machen.
Leistungsinhalt ist ferner auch die Arbeit im sozialen Umfeld. Der soziotherapeutische Leistungserbringer analysiert die häusliche, soziale und berufliche Situation des Patienten/der Patientin und kann zur Unterstützung Familienangehörige, Freunde und Bekannte einbeziehen. Er kann den Patienten/die Patientin auch an komplementäre Dienste heranführen.
Letztlich ist eine soziotherapeutische Dokumentation zu erstellen. Darin sind fortlaufend Art, Dauer und Inhalt der Arbeit mit und für den Patienten und die Erbringung und die Entwicklung des Patienten zu dokumentieren. Diese Dokumentation hat insbesondere Angaben zu den durchgeführten soziotherapeutischen Maßnahmen (Art und Umfang), dem Behandlungsverlauf und den bereits erreichten bzw. noch verbliebenen Therapie(teil-)zielen zu enthalten.
Rz. 11
Über diesen Leistungsinhalt hinaus können entsprechend § 3 Abs. 3 ST-RL aufgrund der Struktur der spezifischen Patientenprobleme vom soziotherapeutischen Leistungserbringer noch weitere Leistungen erbracht werden:
In Betracht kommt ein Motivation-(antriebs-)relevantes Training. Dabei werden mit dem Patienten praktische Übungen zur Verbesserung von Motivation, Belastbarkeit und Ausdauer durchgeführt. Sie finden im Lebensumfeld des Patienten statt.
Ferner kann ein Training zur handlungsrelevanten Willensbildung notwendig sein. Das Training beinhaltet die Einübung von Verhaltensänderungen, Übungen zur Tagesstrukturierung und zum planerischen Denken. Dabei ist Hilfestellung bei der Bewältigung von Konflikten zu geben und eine selbstständige Konfliktlösung bzw. Konfliktvermeidung einzuüben.
Die Anleitung zur Verbesserung der Krankheitswahrnehmung beinhaltet Hilfen beim Erkennen von Krisen (Frühwarnzeichen) und zur Krisenvermeidung sowie die Förderung der Compliance und von gesunden Persönlichkeitsanteilen.
Hilfe soll auch in Krisensituationen erfolgen, ggf. auch aufsuchend, zur Vermeidung erheblicher Verschlimmerung sowohl der Krankheit als auch der häuslichen, sozialen und beruflichen Situation des Patienten.
Rz. 12
Der Vertragsarzt muss sich über den Erfolg der verordneten Maßnahmen vergewissern (§ 6 Abs. 3 ST-RL). Soziotherapie ist abzubrechen, wenn sich im Verlauf der Behandlung herausstellt, dass der Patient nicht geeignet ist oder die definierten Therapieziele nicht erreichen kann. Entsprechendes gilt bei vorzeitigem Erreichen der Therapieziele. Wird die Weiterführung der Soziotherapie nach dem Betreuungsplan wegen einer notwendigen stationären Behandlung unmöglich, umfasst der Anspruch auf Soziotherapie nach § 7 Abs. 2 ST-RL auch den Kontakt mit dem Patienten/der Patientin, um eine frühestmögliche Entlassung zu erreichen und in Absprache mit dem verordnenden Vertragsarzt die Wiederaufnahme und Weiterführung der Soziotherapie sicherzustellen.
Rz. 13
Nach § 5 Abs. 1 ST-RL besteht der Anspruch für höchstens 120 Stunden innerhalb von 3 Jahren je Krankheitsfall. Unter einem Krankheitsfall ist nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ST-RL eine Phase der Behandlungsbedürftigkeit bei einer der in § 2 ST-RL aufgeführten Indikationen von bis zu 3 Jahren zu verstehen. Das bedeutet, dass der Anspruch auf Soziotherapie auf dieselbe Erkrankung beschränkt ist. Tritt eine neue Krankheit hinzu, die nunmehr das Krankheitsausmaß überwiegend beeinflusst, entsteht der Anspruch neu in vollem Umfang. Hier wird eine Kausalitätsprüfung unumgänglich sein. Nach der im Sozialrecht geltenden Theorie von der wesentlichen Bedingung ist zu prüfen, durch welche schwer psychische Erkrankung konkret der Versicherte nunmehr nicht in der Lage ist, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbstständig in Anspruch zu nehmen. Die Abgrenzung verschiedener Krankheitsbilde...