2.1 Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (Abs. 1)
Rz. 4
Abs. 1 eröffnet für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verbesserung der ambulanten Versorgung einen eigenständigen Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV). Voraussetzungen für den Anspruch sind
- das Vorliegen einer unheilbaren Krankheit,
- ein fortgeschrittenes Stadium der Erkrankung,
- eine begrenzte Lebenserwartung und
- die Notwendigkeit einer besonders aufwändigen Versorgung.
Rz. 5
Die Anforderungen an die Erkrankung sind in § 3 des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Erstfassung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung (SAPV-RL) enthalten. Danach ist eine Erkrankung nicht heilbar, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Behandlungsmaßnahmen nicht zur Beseitigung dieser Erkrankung führen können. Die Erkrankung ist fortschreitend, wenn ihr Verlauf trotz medizinischer Maßnahmen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht nachhaltig aufgehalten werden kann. Sie ist ferner weit fortgeschritten, wenn die Verbesserung von Symptomatik und Lebensqualität sowie psychosoziale Betreuung im Vordergrund der Versorgung stehen und nach begründeter Einschätzung der verordnenden Ärzte die Lebenserwartung auf Tage, Wochen oder Monate gesunken ist.
Nach § 4 der Richtlinie (SAPV-RL) besteht Bedarf nach einer besonders aufwändigen Versorgung, soweit die anderweitigen ambulanten Versorgungsformen sowie die Leistungen des ambulanten Hospizdienstes nicht oder nur unter besonderer Koordination ausreichen würden, um die Ziele nach § 1 Abs. 1 zu erreichen. Als Grund hierfür ist das Vorliegen eines komplexen Symptomgeschehens anzusehen, dessen Behandlung spezifische palliativmedizinische und/oder palliativpflegerische Kenntnisse und Erfahrungen sowie ein interdisziplinär insbesondere zwischen Ärzten und Pflegekräften in besonderem Maße abgestimmtes Konzept voraussetzt. Nach § 4 Satz 3 ist ein Symptomgeschehen i. d. R. komplex, wenn mindestens eines der nachstehenden Kriterien erfüllt ist:
- ausgeprägte Schmerzsymptomatik,
- ausgeprägte neurologische/psychiatrische/psychische Symptomatik,
- ausgeprägte respiratorische/kardiale Symptomatik,
- ausgeprägte gastrointestinale Symptomatik,
- ausgeprägte ulzerierende/exulzerierende Wunden oder Tumore,
- ausgeprägte urogenitale Symptomatik.
Rz. 6
Nach Abs. 1 Satz 2 muss die Leistung von einem Vertragsarzt oder Krankenhausarzt verordnet werden. Nicht nur Ärzte, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, dürfen die Leistung verordnen, sondern auch entsprechend qualifizierte Krankenhausärzte. Dies ermöglicht die Erbringung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung unmittelbar ohne zeitlichen Verzug im Anschluss an die Krankenhausbehandlung. Das Genehmigungsverfahren der Krankenkassen wird dem Rechnung zu tragen haben.
2.2 Leistungsumfang (Abs. 1 Satz 3 bis 5)
Rz. 7
Nach Abs. 1 Satz 3 umfasst die spezialisierte ambulante Palliativversorgung ärztliche und pflegerische Leistungen einschließlich ihrer Koordination insbesondere zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle. Sie zielt darauf ab, die Betreuung der Versicherten in der vertrauten häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Die Änderung des Satz 3 durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz dient der Klarstellung. Auch das familiäre Umfeld oder andere haushaltsähnliche Wohnformen sind als Häuslichkeit einzustufen, um das Ziel der Regelung, eine möglichst flächendeckende palliativ-medizinische Versorgung, die das Sterben aus den Krankenhäusern in eine vom Betroffenen als häuslich empfundene vertraute Umgebung verlagert, zu erreichen. Die Aufzählung der Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen i. S. v. § 55 SGB XII und der Kinder- und Jugendhilfe i. S. v. § 34 SGB VIII ist nicht abschließend. Als Häuslichkeit können auch andere Einrichtungen angesehen werden (BT-Drs. 16/11429 S. 45).
SAPV kann somit im Haushalt des schwerstkranken Menschen oder seiner Familie oder in stationären Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen sowie an weiteren Orten, an denen sich der schwerstkranke Mensch in vertrauter häuslicher oder familiärer Umgebung dauerhaft aufhält und diese Versorgung zuverlässig erbracht werden kann, geleistet werden (§ 1 Abs. 2 SAPV-RL). In stationären Hospizen (§ 37b Abs. 1 Satz 5) besteht ein Anspruch auf die Teilleistung der erforderlichen ärztlichen Versorgung im Rahmen der SAPV, wenn die ärztliche Versorgung durch vertragsärztliche Versorgung aufgrund des besonders aufwendigen Versorgungsbedarfs nicht ausreicht (§ 1 Abs. 3 SAPV-RL). Zwischen den Krankenkassen und den Verbänden der Hospizbewegung war strittig, ob der ärztliche Leistungsanteil der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung auch in stationären Hospizen erbracht werden kann. Dies hat der Gesetzgeber durch die Änderung der Norm durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften klargestellt. Die ärztliche Versorgung ...