2.1 Verpflichtung zur Zusammenarbeit (Satz 1)
Rz. 11
Die Vorschrift verpflichtet die Krankenkassen von Amts wegen zur Zusammenarbeit mit folgenden Behörden:
- Bundesagentur für Arbeit (§ 367 SGB III),
- Behörden der Zollverwaltung (z. B. "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" der Bundeszollverwaltung),
- Rentenversicherungsträger (§ 125 SGB VI),
- Träger der Sozialhilfe (§ 3 SGB XII),
- in § 71 des Aufenthaltsgesetzes genannte Behörden (Ausländerbehörden der Länder, § 71 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz),
- Finanzbehörden (§ 6 AO),
- nach Landesrecht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zuständige Behörden (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz),
- Träger der Unfallversicherung (§ 114 SGB VII),
- für den Arbeitsschutz zuständige Landesbehörden (§ 155 GewO).
Rz. 12
Die Verletzung dieser Verpflichtung ist nicht mit Sanktionen verbunden, da der Gesetzgeber offenbar von einem Eigeninteresse der Krankenkassen ausgeht. Möglich ist die Erzwingung über die Aufsichtsbehörde der jeweiligen Krankenkasse (§ 89 Abs. 1 SGB IV).
Rz. 13
Die Vorschrift lässt eine generelle Information anderer Behörden nicht zu. Sie verlangt im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit. Der Einzelfall setzt einen bestimmten Sachverhalt voraus, der einer Person zuzuordnen ist. Obwohl es sich bei den Unterrichtungspflichten zumeist auch um Amtshilfe (§ 3 SGB X) handelt, ist für die Krankenkasse keine allgemeine Unterrichtungspflicht gegeben. Die Zusammenarbeit und damit auch die Weitergabe von Sozialdaten im weitesten Sinne ist vielmehr auf die in Satz 1 ausdrücklich benannten Verstöße begrenzt.
Rz. 14
Da die Zusammenarbeit und Mitteilung von erforderlichen Daten jedoch der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten dienen sollen und die Krankenkassen für diese Verfahren nicht zuständig sind, hat die Zusammenarbeit und Unterrichtung schon dann zu erfolgen, wenn der Verdacht auf eine der genannten Ordnungswidrigkeiten besteht. Konkrete Anhaltspunkte sind gegeben, wenn im Einzelfall Tatsachen vorliegen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Ordnungswidrigkeit begangen worden ist (O´Sullivan, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 306 Rz. 12, Stand: 15.6.2020). Dabei können auch entfernte Indizien herangezogen werden. Vermutungen sind dafür nicht ausreichend. Die Krankenkasse ist auch dann nicht zur Zusammenarbeit und Unterrichtung verpflichtet, wenn zwar konkrete Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeit vorliegen, eine Ahndung aber offensichtlich nicht möglich ist (z. B. wegen eingetretener Verjährung).
Rz. 15
Die Aufzählung der Behörden ist nicht abschließend ("insbesondere") und nicht auf die genannten Behörden beschränkt. Soweit daher andere als die genannten Behörden zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach den Nr. 1 bis 7 zuständig sind, sind auch diese zu unterrichten. Desgleichen schließt die Norm die Übermittlung von Sozialdaten nach den besonderen Regelungen der §§ 67ff. SGB X nicht aus.
2.1.1 Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (Nr. 1)
Rz. 16
Das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz intensiviert die Bekämpfung der Schwarzarbeit (§ 1 Abs. 1 SchwarzArbG). Schwarzarbeit leistet u. a., wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei
- als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten oder
- als Empfänger von Sozialleistungen seine sich aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Mitteilungspflichten gegenüber dem Sozialleistungsträger
nicht erfüllt (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 3 SchwarzArbG),
2.1.2 Beschäftigung oder Tätigkeit von nichtdeutschen Arbeitnehmern (Nr. 2)
Rz. 17
Ausländische Staatsbürger benötigen für eine Beschäftigung oder Tätigkeit in Deutschland
Ein Verstoß dagegen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 404 SGB III).
2.1.3 Verstöße gegen die Mitwirkungspflicht (Nr. 3)
Rz. 18
Empfänger von Sozialleistungen oder Antragsteller haben alle für die Leistung relevanten Änderungen in den Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I). Die Änderungsanzeige ist in Anlehnung an § 121 Abs. 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern bekannt zu geben. Die Mitwirkungspflicht umfasst sowohl tatsächliche als auch rechtliche Änderungen in den Verhältnissen des Sozialleistungsberechtigten. Die Unterrichtungspflicht der Krankenkassen besteht gegenüber den
- Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit,
- Trägern der gesetzlichen Unfall- oder Rentenversicherung oder
- örtlichen und überörtlichen Trägern der Sozialhilfe.
Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben jede Erwerbstätigkeit innerhalb von 3 Tagen nach deren Aufnahme der zuständigen Behörde zu melden (§ 8a AsylbLG). Die Unterrichtungspflicht der Krankenkasse gegenüber den genannten Behörden erfasst auch diesen Tatbestand.
2.1.4 Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (Nr. 4)
Rz. 19
Die Unterrichtungspfli...