Rz. 36
Das Recht auf Befreiung von der Krankenversicherungspflicht der Rentner geht auf § 173a RVO zurück. Das Befreiungsrecht erfasst nicht nur die versicherungspflichtigen Rentenbezieher, sondern auch die Rentenantragsteller i. S. v. § 189, was sich aus der ausdrücklichen Erwähnung auch des Rentenantrages neben dem Bezug der Rente als Befreiungsrecht auslösendes Ereignis ergibt. Zum 1.1.2016 wurde die Aufzählung "§ 5 Abs. 1 Nr. 6, 11 und 12" durch "§ 5 Abs. 1 Nr. 6, 11 bis 12" ersetzt und damit klargestellt, dass sowohl für Künstler-Rentner (§ 5 Abs. 1 Nr. 11a SGB V) und Waisenrentner (§ 5 Abs. 1 Nr. 11b SGB V) das Befreiungsrecht gilt.
Rz. 37
Voraussetzung für das Befreiungsrecht ist, dass keine vorrangige oder nach § 192 erhaltene Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit besteht und der Rentenantrag oder Rentenbezug die Versicherungspflicht als Rentner/ Rentenantragsteller nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 bis 12, § 189 auslöst. Die beantragte oder ausgesprochene Befreiung gilt auch bei einem Wechsel der beantragten Rentenart, bei Rentenumwandlung und Hinzutritt einer weiteren Rente weiter, sodass der Wechsel der Rentenart auch keine neue Versicherungspflicht und kein neues Befreiungsrecht auslöst (vgl. BSG, Urteil v. 24.6.2008, B 12 KR 28/07 R, erneut bestätigt BSG, Beschluss v. 19.9.2019, B 12 KR 45/19 B). Auch der Hinzutritt einer weiteren Rente löst kein Befreiungsrecht aus, da dadurch nicht erst Versicherungspflicht als Rentenbezieher eintritt (HessLSG, Urteil v. 8.2.2007, L 5 KR 141/06). Der vorübergehende Verzicht auf die Rente löst kein neues Befreiungsrecht nach Wiederaufnahme der Rentenzahlung aus (BSG, Urteil v. 11.11.2003, B 12 KR 3/03 R). Die Befreiung als Rentenantragsteller wirkt auch für die mit dem Rentenbezug eintretende KVdR, wenn sich daran der Rentenbezug anschließt, denn die fiktive Rentenantragstellermitgliedschaft (vgl. Komm. zu § 189) dient lediglich der Überbrückung der Zeit zwischen Rentenantrag und Beginn der Rentenzahlung (vgl. Komm. zu § 186). Daher gilt in diesen Fällen auch die Frist des Abs. 2 Satz 1 (so auch Herbst, in: BeckOGK, Stand: 15.2.2024, SGB V, § 8 Rz. 47 mit Beispielfällen; a. A. sog. "getrennte Betrachtung" Hampel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., Stand 15.6.2020, § 8 Rz. 90). Zudem hat der Gesetzgeber mit der Einführung von Abs. 1 Satz 2 zum 15.12.2018 klargestellt, dass die Befreiungsmöglichkeit unabhängig davon besteht, ob eine Person erstmals durch den Antrag auf Rente oder den Bezug von Rente bzw. der Teilnahme an Leistungen der Teilhabe versicherungspflichtig wird. Die bisherige einschränkende Auslegung der Befreiungsmöglichkeit in der Rechtsprechung dürfte damit überholt sein (vgl. etwa LSG des Saarlandes, Urteil v. 22.6.2011, L 2 KR 80/10, und BSG, Urteil v. 27.4.2016, B 12 KR 24/14 R; von dieser Rechtsprechung auch nach alter Rechtslage bereits abweichend LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 10.9.2019, L 5 KR 470/19).
Rz. 37a
Das Befreiungsrecht kann nicht dazu genutzt werden, die bisherige freiwillige Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse fortzusetzen, auch wenn dafür geringere Beiträge zu zahlen wären (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.8.2005, L 4 KR 1533/02). Ausnahme davon ist die ausdrückliche Regelung in § 5 KVLG '89, die die Befreiung bei einer freiwilligen Versicherung mit Krankengeld bei einer anderen als der landwirtschaftlichen Krankenkasse vorsieht. Bei einer Rente mit einem Zahlbetrag unterhalb eines Siebtels der Bezugsgröße kann eine Befreiung nicht zur Durchführung einer Familienversicherung genutzt werden, da § 10 Abs. 1 Nr. 3 diese im Fall einer Befreiung ausschließt.
Rz. 37b
Von der Versicherungspflicht befreite Rentner haben Anspruch auf einen Beitragszuschuss zur privaten Krankenversicherung nach § 106 SGB VI gegenüber dem Rentenversicherungsträger (vgl. Komm. dort).
Rz. 37c
Der Antrag auf Befreiung ist gemäß Abs. 2 Satz 1 innerhalb von 3 Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen. Die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Rentner beginnt nach § 186 Abs. 9 mit dem Tag der Stellung des Rentenantrags. Die Frist beginnt daher regelmäßig nach dem Tag der Rentenantragstellung. Abweichend davon soll jedoch, wenn der Rentenantrag vor Eintritt aller Voraussetzungen für die Rente gestellt wird, nicht die Antragstellung, sondern der Rentenbeginn maßgeblich sein (LSG Hamburg, Urteil v. 3.9.2012, L 1 KR 69/10).
Rz. 38
Die Befreiung von der Versicherungspflicht bei Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (früher: berufsfördernden Maßnahme) (§ 5 Abs. 1 Nr. 6) knüpft an § 173c RVO an und besteht nur für solche Personen, die zuvor nicht versicherungspflichtig waren. Auf die Gründe und Dauer der vorherigen Nichtversicherung kommt es nicht an, insbesondere ist nicht die vorherige Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze erforderlich. Das Befreiungsrecht hängt allein von der Teilnahme an der Maßnahme ab; der Bezug von Übergangsgeld ist auch für die Krankenversic...