2.2.1 Zustandekommen und Aushändigung des Pflegevertrages
Rz. 4
Aus der Regelung des Abs. 1 Satz 1 folgt, dass spätestens mit Beginn des ersten Pflegeeinsatzes mit dem Pflegebedürftigen ein Pflegevertrag dergestalt zustande kommt, diesen nach Art und Schwere seiner Pflegebedürftigkeit entsprechend den von ihm in Anspruch genommenen Leistungen der häuslichen Pflegehilfe i. S. d. § 36 zu versorgen. Für die Entstehung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Pflegedienst und dem von ihm betreuten Personenkreis reicht damit schon die tatsächliche Durchführung eines Pflegeeinsatzes aus, ohne dass es zur Wirksamkeit des Vertrages der Schriftform bedarf. Hierbei berechtigt der Wortlaut des Abs. 1 Satz 1 zu der Annahme, dass die dort beschriebene Rechtsfolge auch für probeweise von dem Pflegebedürftigen in Anspruch genommene Pflegeeinsätze gilt. Seiner Rechtsnatur nach handelt es sich bei dem zustande gekommenen Pflegevertrag um einen Dienstvertrag nach § 611 BGB, auf den die zivilrechtlichen Bestimmungen des BGB Anwendung finden.
Rz. 5
Abs. 2 Satz 1 verpflichtet den Pflegedienst, nach Aufforderung der zuständigen Pflegekasse unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern eine Ausfertigung des Pflegevertrages auszuhändigen. Hierbei besteht eine Pflicht des ambulanten Pflegedienstes zur Vorlage des Pflegevertrages an die Pflegekasse auch bei entsprechender Aufforderung durch den Pflegebedürftigen (vgl. BT-Drs. 16/7439 S. 90).Den Pflegekassen vermittelt die Aushändigung des Pflegevertrages mehr Rechtsklarheit und Transparenz und bewirkt, dass die Kostenträger die ihnen im Sachleistungssystem der Pflegeversicherung für die Interessen der Pflegebedürftigen zukommende Sachwalterfunktion (z. B. Unterstützungspflichten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gem. § 115 Abs. 3 Satz 7) effizienter ausüben können. Hierzu gehört auch die Prüfung, ob die Pflegeverträge unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben der Abs. 3 und 4 den vertraglichen Absprachen in den Versorgungsverträgen zwischen den Kostenträgern und den Einrichtungsträgern entsprechen.
Von der Regelung des Abs. 2 Satz 1 unbenommen bleibt das Recht des Pflegebedürftigen, eine Ausfertigung des Pflegevertrages auch für sich selbst zu verlangen; diese Berechtigung folgt bereits aus den mit Abschluss des Pflegevertrages für den Pflegedienst einhergehenden Nebenpflichten (vgl. auch BT-Drs. 16/7439 S. 90).
2.2.2 Mindestinhalt des Pflegevertrages
Rz. 6
Abs. 3 Satz 1 schreibt den Mindestinhalt der Pflegeverträge vor. In Betracht kommende Vertragsinhalte sind in diesem Zusammenhang die in § 36 Abs. 1 festgeschriebenen Leistungsansprüche auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung. Hierbei gilt für Pflegeverträge über die Erbringung von Pflegesachleistungen im Übrigen zu beachten, dass sich deren Inhalt zudem in wesentlichen Teilen wegen der von den Versorgungsverträgen gemäß § 72 ausgehenden Bindungswirkung, nach den in diesen Verträgen getroffenen Vereinbarungen bestimmt. Hiervon unberührt bleiben weitergehende Vereinbarungen über Regelungsinhalte, die in keinem Zusammenhang mit der Erbringung von Sachleistungen nach dem SGB XI stehen (z. B. vertragliche Absprachen zu Leistungen von Essen auf Rädern).
Rz. 6a
Zu dem Mindestinhalt der Pflegeverträge gehört nach Abs. 3 Satz 1 auch die von den Pflegeeinrichtungen mit den Kostenträgern nach § 89 für die Erbringung der Leistungen vereinbarten Vergütungen, die für jede Leistung oder jeden Leistungskomplex gesondert zu beschreiben sind. Mit dieser durch das Erste Pflegestärkungsgesetz in Abs. 3 Satz 1 geänderten Regelung in der ab 1.1.2015 geltenden Neufassung wurde der Regelungsinhalt gemeinsam mit der Regelung des § 89 weitestgehend auf die Fassung vor dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz zurückgeführt. Die vormals bestehende Verpflichtung zu Vereinbarungen von alternativen Vergütungen entfällt. Die Vereinbarungspartner nach § 89 bleiben damit in der konkreten Ausgestaltung der Vergütungssystematik flexibel. Davon ausgehend können grundsätzlich alle alternativen Vergütungsformen und die daraus erwachsenden Kombinationsmöglichkeiten für die Pflegebedürftigen insbesondere bei der Zusammenstellung ihrer Leistungen umgesetzt werden. Eine solche Regelung berücksichtigt nach der Gesetzesbegründung die aktuelle Ausgestaltung der Vergütungsvereinbarungen in den Ländern, die bereits Vergütungen unabhängig vom Zeitaufwand nach dem Leistungsinhalt des jeweiligen Pflegeeinsatzes oder Komplexleistungen sowie Vergütungen nach Zeitaufwand nebeneinander vereinbart haben (BT-Drs. 18/2909 S. 44). Infolge einer weiteren gesetzlichen Änderung des Abs. 3 Satz 1 durch das DVPMG v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1309) wurden die gesetzlichen Vorgaben zum Mindestinhalt des Pflegevertrages um die notwendige Berücksichtigung ergänzender Unterstützungsleistungen bei der Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen erweitert.
Rz. 6b
Nach Abs. 3 Satz 3 ist von den Pflegediensten bei Vereinbarung des Pflegevertrages zu berücksichtigen, dass der Pflegebedürftige Leistungen von mehreren Leistungs...