2.1 Antragsrecht und Voraussetzungen
Rz. 3
Der Pflegebedürftige hat ein weitgehendes Wahlrecht bezüglich der Inanspruchnahme von Pflegeversicherungsleistungen. Eines seiner Wahlrechte versetzt ihn in die Lage, anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld zu beantragen. Antragsformulare hält die zuständige Pflegekasse bereit. Für den Fall, dass es sich um einen sog. Erstantrag handelt, veranlasst sie zunächst das Feststellungsverfahren über den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Klärung der Pflegebedürftigkeit bzw. des Pflegegrades (bis 31.12.2016 Pflegestufe; § 18).
Rz. 4
Nach dem Gesetzeswortlaut hat die zuständige Pflegekasse zunächst eine antragsgemäße Prüfung der Leistungsvoraussetzungen vorzunehmen, alsdann im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gemäß SGB X den Verwaltungsakt zu erlassen. Neben den weiteren und nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen schließt die Anspruchsprüfung der Pflegekasse auch die Regelungen des § 33 ein. Sofern die hier im weiteren Verlauf noch zu beschreibenden Voraussetzungen vorliegen, wird dem Leistungsantrag schon wegen der Vorrangstellung häuslicher Pflege in aller Regel entsprochen werden.
2.1.1 Ort der Pflegesicherstellung/Häuslichkeitsbegriff
Rz. 5
Eine dieser Voraussetzungen ist die eigenständige Sicherstellung häuslicher Pflegehilfe durch den Pflegebedürftigen, also die Pflege in häuslicher Umgebung. Dies kann der eigene Haushalt, der Haushalt der Pflegeperson oder auch ein beliebig anderer Haushalt sein, in den der Pflegebedürftige aufgenommen und gepflegt wird. Die häusliche Pflege wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Pflegebedürftige in einem Altenwohnheim oder einer Altenwohnung lebt, gleichgültig, ob er seine Haushaltsführung noch eigenverantwortlich regeln kann oder nicht (vgl. § 36 Abs. 1). Ausgeschlossen ist der Anspruch auf Pflegegeld hingegen, wenn sich der Pflegebedürftige in einer Einrichtung nach § 71 Abs. 2 i. V. m. § 72 aufhält (Pflegeheim). Hier bestehen Leistungsansprüche nur im Rahmen des § 43.
Hält sich der Pflegebedürftige in einer nicht zugelassenen vollstationären Pflegeeinrichtung auf (nicht Einrichtungen nach § 71 Abs. 4), so besteht aufgrund der insoweit selbst sichergestellten Pflege Anspruch auf Pflegegeld.
Rz. 6
Für Pflegebedürftige, die internatsmäßig in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe untergebracht sind, kommt für die Zeit der Pflege im häuslichen Bereich (Wochenenden, Ferienzeiten) unter Berücksichtigung des Pauschbetrages nach § 43a ebenfalls eine (eingeschränkte) Pflegegeldzahlung in Betracht (Zahlweise vgl. Rz. 10 ff.).
Rz. 7
Begibt sich der Pflegebedürftige ins Ausland, so wird die ordnungsgemäße und der Pflegesituation entsprechende Pflege unterstellt und der Pflegegeldanspruch bis zur Dauer von 6 Wochen aufrechterhalten (§ 34 Abs. 1 Nr. 1). Dauert hingegen der Auslandsaufenthalt länger als 6 Wochen oder verlegt der Pflegebedürftige seinen Wohn- und Aufenthaltsort ins Ausland, wird der Pflegeanspruch ruhend gestellt. Insbesondere seit dem Urteil des EuGH v. 5.3.1998 (C-160/96 – Molenaar) gilt eine hiervon abweichende Regelung für die EU-/EWR-Staaten oder Schweiz. Pflegebedürftige Versicherte der deutschen Pflegeversicherung können bei einem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der EU/EWR oder der Schweiz Pflegegeld der deutschen Pflegeversicherung beziehen, solange sie in dieser versicherungs- und beitragspflichtig sind. Das Pflegegeld wird auf der Grundlage der auch im Inland geltenden Kriterien gewährt. Die körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung sind daher ebenfalls in geeigneter Weise sicherzustellen (vgl. auch Rz. 10 ff. und 24 ff.).
2.1.2 Pflegeperson, Inhalt und Umfang der Pflege
Rz. 8
Wenn der "Ort", an dem Pflege sichergestellt wird, vom Pflegebedürftigen weitgehend frei bestimmt werden kann, so gilt das auch für die Pflegeperson oder Pflegekraft. Es ist unbeachtlich, ob die Pflege durch Angehörige, den Lebenspartner, sonstige ehrenamtliche Pflegepersonen, erwerbsmäßige Pflegekräfte oder eine vom Pflegebedürftigen angestellte Pflegeperson erbracht wird. Als Voraussetzung gilt aber, dass der Pflegebedürftige die erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung in geeigneter Weise sicherstellt. Der Anspruch auf Pflegegeld setzt die uneingeschränkte Sicherstellung auch dann voraus, wenn das Pflegegeld hierfür allein nicht ausreicht. (vgl. BSG Urteil v. 17.12.2009, B 3 P 5/08 R; LSG Berlin-Brandenburg Urteil v.30.5.2011, L 27 P 116/08). Maßstab für den Umfang der zu erbringenden Leistungen muss der Inhalt des jeweiligen zuerkannten Pflegegrades nach § 14 i. V. m. § 15 sein. Ergänzt und präzisiert wird die Umschreibung dieses Hilfebedarfs und damit der Mindestumfang der sicherzustellenden häuslichen Pflegehilfe durch die Richtlinien der Pflegekassen nach § 17 (Begutachtungs-Richtlinien – BRi). Ist eine pflegerische Sicherstellung in diesem Umfang nicht gegeben, kann das Pflegegeld nicht gezahlt werden. Die Pflegekasse sollte hier im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 4 Abs. 3 und unter...