Einführung zum Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)
– Soziale Pflegeversicherung –
Mit dem Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz) v. 26.5.1994 (BGBl. I S. 1014, 2797) löste die Bundesregierung ihr Versprechen aus dem Jahre 1991 ein, in der 12. Legislaturperiode eine Lösung der Pflegeproblematik in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen.
Das Elfte Buch des Sozialgesetzbuches trat als Art. 1 des Pflege-Versicherungsgesetzes am 1.1.1995 in Kraft. Von diesem Zeitpunkt an waren Beiträge nach näherer Bestimmung der §§ 54 ff. SGB XI zu zahlen. Die ersten 3 Monate dienten der Anschubfinanzierung und zur Bildung einer Kapitalreserve, damit vom 1.4.1995 an die Leistungen in ihrer ersten Stufe (vgl. §§ 36 ff. SGB XI – Leistungen bei häuslicher Pflege) erbracht werden konnten. Die zweite Stufe – stationäre Pflege – setzte am 1.7.1996 ein.
Insgesamt enthält das SGB XI Strukturen, die der gesetzlichen Krankenversicherung sehr stark ähneln. Das gilt sowohl hinsichtlich der Organisation, des versicherten Personenkreises, der Finanzierung als auch der Beziehung zu den sonstigen Leistungserbringern. Das Gesetz ist von dem Grundsatz geprägt: Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung. So wurde ein neuer eigenständiger Zweig der gesetzlichen Sozialversicherung geschaffen, dessen Träger, die Pflegekassen, organisationsrechtlich in der gesetzlichen Krankenversicherung bei den Krankenkassen angesiedelt sind (vgl. § 1 Abs. 3, § 46 SGB XI).
Der versicherte Personenkreis ist seinerzeit gegenüber dem der gesetzlichen Krankenversicherung wesentlich erweitert worden, sodass nicht nur die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen für den Fall der Pflegebedürftigkeit versichert worden sind. Neben anderen Personenkreisen müssen auch alle in der privaten Krankenversicherung Versicherten einen privaten Pflegetarif abschließen.
Die Zahl der Pflegebedürftigen ist seit 1995 ständig gestiegen. Waren bei der statistischen Erhebung im Dezember 2007 insgesamt 2,25 Mio. Menschen pflegebedürftig, so erhielten 2021 schon 4,9 Mio. Menschen Leistungen der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherung. Nach den Unterlagen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) werden es im Jahr 2035 dann etwa 5,6 Mio. Pflegebedürftige sein.
Bei dem durch die Einführung der Leistungen der Pflegeversicherung erzielten Einsparvolumen der öffentlichen Haushalte einschließlich der gesetzlichen Krankenversicherung darf jedoch die Belastung der Wirtschaft durch ihren Beitragsanteil zur Pflegeversicherung nicht verkannt werden. Bei der Verabschiedung des PflegeVG bestand deshalb Einvernehmen darüber, dass die Wirtschaft nicht zusätzlich durch die Erhöhung der Lohnnebenkosten belastet werden dürfe. Die Länder haben deshalb mit Ausnahme des Freistaates Sachsen den Buß- und Bettag als gesetzlichen Feiertag gestrichen. Dadurch sollte der Arbeitgeberbeitrag kompensiert werden.
Der Beitragssatz ist seit der Einführung des SGB XI stetig angehoben worden. Aktuell liegt er seit dem 1.7.2023 bei 3,4 % des Bruttoeinkommens. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen – ausgenommen jn Sachsen – davon jeweils die Hälfte. Kinderlose zahlen unabhängig vom Grund der Kinderlosigkeit nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, einen Beitragszuschlag von 0,6 %.
Der Leistungskatalog ist über die Jahre weiterentwickelt worden. So wurden z. B. die finanziellen Leistungen für ambulante und stationäre Pflege erhöht, Leistungen für Versicherte mit erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarf eingeführt und die Bewertung der Pflegequalität von ambulanten stationären Pflegeeinrichtungen geregelt. Die Leistungsgewährung hat eine substanzielle Grundlage in einem neu gefassten Pflegebedürftigkeitsbegriffs und einem differenziert angelegten Begutachtungsverfahren (§§ 14 ff.) gefunden.
Die wachsende Erkenntnis der Notwendigkeit einer den Bedürfnissen der Versicherten gerecht werdenden gesetzlichen Pflegeversicherung hat die Reformen seitdem vorangetrieben. So hat der Gesetzgeber mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz zuletzt höhere Leistungen und mehr Unterstützung im ambulanten und stationären Bereich eröffnet. Die Änderungen werden stufenweise ab 1.1.2024 wirksam. Digitale Pflegeanwendungen und ergänzende Unterstützungsleistungen, die soziale Absicherung für Pflegepersonen, teilstationäre und vollstationäre Pflege sowie auch die Versorgung für Schwerstkranke und Sterbende verdeutlichen das Bemühen des Gesetzgebers, der Zielsetzung einer leistungsstarken Pflegeversicherung gerecht zu werden. Das mittlerweile längst Realität gewordene, erwartete Defizit an qualifizierten Kräften in allen Pflegebereichen hat den Gesetzgeber zu stärkeren Bemühungen bei der Gewinnung geeigneter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezwungen. Die Tarifvertragsparteien sind schrittweise mit einer Verbesserung der Vergütungsstrukturen gefolgt. Die aufgrund der Alterspyramide in den nächsten Jahren zu erwartende Steigerung einer...