8.1 Die Erforderlichkeit einer neuen S-Tabelle
Die Forderungen der Gewerkschaften nach einer finanziellen Aufwertung der Berufe des Sozial- und Erziehungsdienstes waren mit dem geltenden Tarifvertragssystem nur dadurch in Einklang zu bringen, dass neue Tabellenwerte für diese Beschäftigten entwickelt worden sind. Einerseits galt es Exspektanzverluste auszugleichen und für die insgesamt 45 Tätigkeitsgruppen des Sozial- und Erziehungsdienstes das über 40 Jahre gerechnete Lebenserwerbseinkommen im Vergleich BAT/TVöD/neues Recht im Blick zu haben. Andererseits musste die VKA darauf achten, dass die Grundsätze der Eingruppierungssystematik nicht infrage gestellt werden, nämlich der Aufbau der Entgeltgruppen nach dem Schema
Entgeltgruppen 1 bis 4
ungelernte oder angelernte Beschäftigte;
Entgeltgruppen 5 bis 8
Beschäftigte mit Tätigkeiten, die eine mindestens 3-jährige Ausbildung erfordern;
Entgeltgruppen 9 bis 12
Beschäftigte mit Tätigkeiten, die einen Fachhochschulabschluss erfordern;
Entgeltgruppen 13 bis 15
Beschäftigte mit Tätigkeiten, die einen wissenschaftlichen Hochschulabschluss erfordern.
Wäre die ursprüngliche gewerkschaftliche Forderung, Erzieherinnen in die Entgeltgruppe 9 einzugruppieren, umgesetzt worden, wäre damit selbst dann, wenn man z. B. das Erreichen der Stufen 5 und 6 ausgeschlossen hätte, ein Systembruch verbunden gewesen. Die Entgeltgruppe 9 ist die Eingangsgruppe für Beschäftigte mit Fachhochschulabschluss, den Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung i. d. R. nicht haben. Die Ausbildung zur Erzieherin ist bundesweit bisher nicht einheitlich geregelt. Es ist eine schulische Aus- bzw. Weiterbildung und dauert zwischen 3 und 5 Jahren. Zugangsvoraussetzung ist i. d. R. ein Realschulabschluss. Ausbildungsstätten sind Fachschulen für Sozialpädagogik – in manchen Regionen auch Berufs-/Fachakademien oder Berufskollegs. Mittlerweile besteht außerdem die Möglichkeit, die Erzieherausbildung in Form eines Fachhochschulstudiums zu absolvieren.
Um einen Systembruch zu vermeiden, wurde eine neue Entgelttabelle entwickelt. Dies hat Veränderungen gegenüber den bisherigen Tabellenwerten ermöglicht, ohne die Entgelttabellen des TVöD und die Anlagen 1 und 3 zum TVÜ-VKA ändern zu müssen. Außerdem war es dadurch möglich, die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst von den anderen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes abzugrenzen und auf diese Weise Präjudizwirkungen für andere Berufsgruppen und damit auch für die noch zu verhandelnde neue Entgeltordnung zum TVöD auszuschließen.
8.2 Gestaltung der neuen S-Tabellen
Die Tarifvertragsparteien haben sich zunächst auf neue Entgelttabellen (Anlage C zu § 56 BT-V und zu § 52 BT-B) mit insgesamt 17 Entgeltgruppen (S 2 bis S 18) verständigt.
8.2.1 Zusätzliche Entgelttabelle Ost
Da – bezogen auf das Tarifgebiet Ost – die Bemessungssatzanpassung auf 100 % der TVöD-Entgelte vom 1.1.2008 an nur die Beschäftigten der Entgeltgruppen 1 bis 9 umfasst hat, war wegen der Beschäftigten, die höher als in die Entgeltgruppe 9 eingruppiert sind, eine zusätzliche Entgelttabelle für das Tarifgebiet Ost erforderlich, die in den Entgeltgruppen S 15 bis S 18 unter Zugrundelegung des Bemessungssatzes von 97 % entsprechend niedrigere Tabellenwerte ausweist.
8.2.2 Stufenlaufzeiten
Die ab 1.11.2009 gültigen S-Entgelttabellen haben dieselbe Mindestlaufzeit wie die Entgelttabellen des TVöD.
Die neuen Entgelttabellen weichen nicht nur hinsichtlich der Beträge von der TVöD-Tabelle ab, sondern auch hinsichtlich der Stufenlaufzeiten. Abweichend von § 16 Abs. 3 TVöD beträgt in allen S-Entgeltgruppen die Stufenlaufzeit
- in der Stufe 2 3 Jahre (statt 2 Jahre)
- in der Stufe 3 4 Jahre (statt 3 Jahre)
und in der ursprünglichen Entgeltgruppe S 8
- in der Stufe 4 8 Jahre (statt 4 Jahre)
- in der Stufe 5 10 Jahre (statt 5 Jahre).
Damit verlängert sich bei gleichbleibender Tätigkeit in derselben Entgeltgruppe das Erreichen der Stufe 6 in den S-Entgeltgruppen (mit Ausnahme der ursprünglichen Entgeltgruppe S 8) von 15 auf 17 Jahre. In der ursprünglichen Entgeltgruppe S 8 wurde die Stufe 6 erst nach 26 Jahren erreicht. Das Einigungspapier vom 27.7.2009 enthält in der Anlage 2 hierzu eine Stufenzuordnungstabelle zur Überleitung in die Entgelttabelle S, die die Stufenlaufzeitverschiebungen optisch verdeutlicht.
Bei den Beschäftigten der Entgeltgruppe S 4 Fallgruppe 3 (Beschäftigte in der Tätigkeit von Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung) ist die Stufe 4 die Endstufe.
In der Tarifrunde des Jahres 2022 haben sich die Tarifvertragsparteien darauf verständigt, die besonderen Stufenlaufzeiten für den Sozial- und Erziehungsdienst wieder den allgemeinen Regelungen anzugleichen. Dies jedoch erst zum 1.10.2024.
Mit Änderungstarifvertrag Nr. 20 zum TVöD (BT-V) bzw. Änderungsvertrag Nr. 9 zum TVöD (BT-B) wurden noch die Tätigkeiten von Heilerziehungspflegerinnen und Heilerzieherinnen in die Fallgruppe 3 mit aufgenommen.
8.2.3 Änderungen der Struktur und Stufenlaufzeiten ab 1.7.2015
Mit Änderungstarifvertrag Nr. 20 zum TVöD-BT-V und Nr. 9 zum TVöD-BT-B hat sich die S-Tabelle mit Wirkung zum 1.7.2015 erheblich verändert.
Die Tabellenentgelte für die Beschäftigten des Sozial- und Erziehungsdienstes ergeben sich weiterhin aus ...