Auf den Fall der Tarifkonkurrenz ist das BAG in seinen Entscheidungen nicht eingegangen. Hier bleibt gar nichts anderes übrig, als nach wie vor vom Grundsatz der Tarifeinheit auszugehen. Allerdings könnte man künftig den Grundsatz der Spezialität durch das sog. Mehrheits- oder Repräsentationsprinzip, wie es in § 7 Abs. 2 AEntG bei der Auswahl unter mehreren Tarifverträgen über einen Mindestlohn vorgesehen ist, lösen.
Die Fälle der Tarifpluralität können nicht mehr über den Grundsatz der Tarifeinheit gelöst werden. Also können für einen Betrieb mehrere Tarifverträge gelten, aber auch erzwungen werden. Das stärkt die kleineren Spezial-Gewerkschaften, die, wenn sie entsprechende Schlüsselstellungen besetzen, erheblichen Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben können. Das geht wiederum zulasten der großen, breit aufgestellten Gewerkschaften. Die Folge ist, dass erhebliche Einkommensunterschiede auftreten können.
Mit der zunehmenden Anzahl von Gewerkschaften, die die Interessen ihrer Mitglieder durchzusetzen versuchen, werden sich Zeiten, in denen die Friedenspflicht gilt, logischerweise vermindern. Das fordert die Tarifvertragsparteien. Entweder müssen sie sich auf zunehmenden Arbeitskampf einstellen. Damit können Arbeitnehmer, die zum Frieden verpflichtet sind, von Arbeitskämpfen ihrer Kollegen zusätzlich belastet werden. Zudem besteht die Gefahr, dass Mitglieder von Schlüssel-Spartengewerkschaften überproportional von Tarifvertragsverhandlungen profitieren. Oder sie koordinieren ihre Ziele sowohl inhaltlich als auch zeitlich.
Die Beispielsfälle sind zurzeit wie folgt zu lösen:
Beispiele
Beispiel 1)
Für jeden gilt nach der Tarifpluralität sein Tarifvertrag.
Beispiel 2)
In einem Arbeitsverhältnis kann nur ein Tarifvertrag gelten. Das ist der, in dessen Geltungsbereich der jeweilige Arbeitnehmer die überwiegende Arbeitszeit verbracht hat. Diese Lösung führt jedoch u. U. je nach Betrachtungszeitraum zu unterschiedlichen Ergebnissen und ist damit sehr problematisch.
Beispiel 3)
Bei Betriebs- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen gibt es zurzeit keine anderen Lösungen als die Grundsätze der Tarifeinheit und der Spezialität. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass die Arbeitnehmer in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen unterschiedlich behandelt werden sollen. Also ist die Frage zu stellen, ob im Bereich des Firmentarifvertrags mit der Gewerkschaft A die überwiegende Anzahl der Arbeitnehmer mit ihrer überwiegenden Stundenzahl arbeitet. Ist dies der Fall, müssen alle Arbeitnehmer die Taschenkontrolle dulden.
Beispiel 4)
Es gilt das Gleiche wie oben.
Beispiel 5)
Die Spartengewerkschaft kann zum Streik aufrufen.