Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. vollstationäre Pflege. mobiler Patientenlifter. Zurverfügungstellung durch Heimträger. Notwendigkeit eines Vorverfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Mobile Patientenlifter sind bei vollstationärer Pflege in einem zugelassenen Pflegeheim grundsätzlich vom Heimträger zur Verfügung zu stellen. Sie gehören in aller Regel nicht zu den individuell angepassten Hilfsmitteln, für die stets die Krankenkassen zuständig sind.
2. Dies gilt auch, wenn sich ein Kläger nicht in einem vollstationären Pflegeheim iS der §§ 71 Abs 2, 72 Abs 1 SGB 11 sondern in einer Einrichtung iS der §§ 43 a, 71 Abs 4 SGB 11 befindet.
Normenkette
SGB XI § 36 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2, § 11 Abs. 1, § 14 Abs. 1, § 40 Abs. 1 S. 1, § 43 Abs. 1, 2 S. 1, § 71 Abs. 2, 4, § 72 Abs. 1, 3 S. 1, § 82 Abs. 1 S. 2, § 83 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2; SGB XII § 61 Abs. 2 Sätze 1-2, §§ 62, 75 Abs. 3 Sätze 1-3, § 76 Abs. 1 Sätze 1-3; SGB V § 33 Abs. 1 S. 1, § 34 Abs. 4 S. 1; SGG § 78 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1, § 99 Abs. 1
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 20. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Gewährung eines mobilen Patientenlifters als Sachleistung hat.
Die 1972 geborene Klägerin leidet u.a. an schwerer Intelligenzminderung, Tetraspastik, Debilität und Epilepsie. Sie lebt seit 1982 im St. J. in E. und erhält u.a. Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung. Von 9:00 Uhr bis 12:30 Uhr wird sie im Förderbereich der Werkstatt für behinderte Menschen betreut.
Im Januar 2007 beantragte sie unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Sch. vom 3. Januar 2007 und eines Kostenvoranschlags der J. Orthopädie KG vom 20. Januar 2007 über 7.397,04 € bei der Beklagten ein (nicht mobiles) Maxi Sky 1000-Deckenliftersystem. Mit Bescheid vom 30. Januar 2007 lehnte diese die Gewährung ab und wies mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2007 den hiergegen gerichteten Widerspruch mit der Begründung zurück, bei einem fest zu installierenden Deckenfahrlifter handele es sich nicht um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) das in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) falle.
Während des Klageverfahrens hat die Klägerin am 3. März 2008 bei der Beklagten und im Oktober 2009 bei dem Beigeladenen die Gewährung des mobilen Patientenlifters Maxi Move der Marke ARJO beantragt. Die Beklagte hat den Landesrahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 1. September 2005 und die zwischen dem Landesamt für Soziales und Familie und dem St. J. getroffene Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII vom 10. April 2006 beigezogen. Nach voriger Anhörung (Schreiben vom 30. Juni und 1. Juli 2008) hat sie mit Bescheid vom 28. Juli 2008 die Versorgung der Klägerin mit einem mobilen Patientenlifter abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt, bei dem St. J. handle es sich um eine Einrichtung im Sinne des §§ 43 a, 71 Abs. 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und nicht um ein Wohnheim in Form einer Pflegeeinrichtung im Sinne der §§ 71 Abs. 2, 72 Abs. 1 SGB XI. Da der beantragte mobile Patientenlifter ausschließlich zur Durchführung und Erleichterung der Pflege benötigt werde und von seiner Beschaffenheit her auch von jedem anderen Bewohner genutzt werden könne, sei er der Vorhaltungspflicht der Pflegeeinrichtung zuzuordnen. Den dagegen gerichteten Widerspruch hat die Klägerin nach Hinweis der Vorsitzenden der 6. Kammer des Sozialgerichts (SG), dass der Bescheid nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens sei, zurückgenommen.
Das SG hat ein Gutachten der Dr. M.-H. vom 1. August 2008 eingeholt, wonach der Einsatz eines mobilen Patientenlifters sowohl zum Ausgleich der Behinderung als auch zur Erleichterung der Pflege erforderlich ist. Hiergegen hat die Beklagte eingewandt, Mobilitätshilfen der Produktgruppe 22 seien ausschließlich der Finanzierungszuständigkeit der Pflegeheime zuzuordnen. Grund hierfür sei, dass sie die Grundpflege (Transfer, Mobilisation) ermöglichten beziehungsweise erleichterten und üblicherweise von mehreren Personen genutzt werden könnten. Sie gehörten somit zur Ausstattung einer stationären Pflegeeinrichtung. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass das St. J. in den Sanitärbereichen mit einem Deckenliftsystem ausgestattet sei, das auch von der Klägerin mitgenutzt werden könne. Darüber hinaus gebe es dort auch einen oder mehrere mobile Patientenlifter. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (≪BSG≫, Urteil vom 10. Februar 2000 - Az.: B 3 KR 24/99 R) gehörten nur solche Hilfsmittel in den Bereich der GKV, die individuell auf den einzelnen Versicherten angepasst u...