Rz. 30
Nach § 611a Abs. 1 Satz 1 bleibt die persönliche Abhängigkeit des zur Dienstleistung Verpflichteten vom Dienstberechtigten maßgebliches Kriterium des Arbeitsvertrags, wie es bereits zuvor das BAG angenommen hatte. In leichter Akzentverschiebung definiert sie den Arbeitnehmer auch als denjenigen Mitarbeiter, der seine Dienstleistung "im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt". Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbstständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt diese Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbstständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält diese Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrags vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal dies die einzige Norm darstellt, die Kriterien dafür enthält. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insb. darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dieses Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben. Damit sind vor allem 3 Merkmale mögliche Indizien der persönlichen Abhängigkeit:
- die Weisungsgebundenheit in zeitlicher, örtlicher und fachlicher Hinsicht
- die organisatorische Abhängigkeit für die Erbringung der Arbeitsleistung und – wenn auch weniger deutlich –
- die Fremdnützigkeit der Arbeitsleistung.
Die dadurch vermittelte Fremdbestimmung muss über die eines freien Dienstvertrags hinausgehen. Entscheidend ist der Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Das Merkmal ist also ein relatives, vergleichendes Kriterium.
Rz. 31
Bei der Frage, in welchem Maße der Mitarbeiter persönlich abhängig ist, ist vor allem die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit zu berücksichtigen. Denn abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien, lassen sich nicht aufstellen. Eine Anzahl von Tätigkeiten kann sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses (freien Mitarbeiterverhältnisses) erbracht werden. Umgekehrt gibt es Tätigkeiten, die für andere regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden können. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses kann also auch aus Art oder Organisation der zu verrichtenden Tätigkeiten folgen. Zeitliche Vorgaben und die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind kein ausreichendes Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Das Versprechen, eine Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen oder zu einem bestimmten Zeitpunkt fertigzustellen, macht den Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinne nicht weisungsabhängig. Widersprechen sich schriftliche Vereinbarung und tatsächliche Durchführung des Vertrags, ist die Letztere maßgebend. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien ausgegangen sind.