3.2.1 Tatsächliches Angebot
Rz. 10
Nach § 293 BGB gerät der Gläubiger nur dann in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. § 294 BGB ordnet an, dass die vertraglich vereinbarte Leistung tatsächlich angeboten werden muss. Voraussetzung ist aber nach der Rechtsprechung ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis. Bei dem tatsächlichen Angebot handelt es sich um einen Realakt, der die Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz erfordert, auf den aber die Vorschriften über Willenserklärungen nicht anzuwenden sind. Von einem ordnungsgemäßen tatsächlichen Angebot ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft in eigener Person, am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Weise anbietet. Erfüllungsort ist der konkrete Arbeitsplatz im Betrieb, an dem sich der Arbeitnehmer zu Dienstbeginn einzufinden hat. Dabei ist das Wegerisiko vom Arbeitnehmer zu tragen, selbst wenn der Arbeitgeber einen Werksbus zur Verfügung stellt. Unter Umständen kann allein das Erscheinen am Arbeitsplatz noch nicht ausreichend sein, um ein tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers anzunehmen, wenn daraus für den Arbeitgeber nicht mit hinreichender Eindeutigkeit erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer tatsächlich arbeiten möchte. Ebenso wenig genügt das Anbieten einer Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses gem. § 74 SGB V, da dieses nicht Teil des Arbeitsverhältnisses ist, sondern ein eigenständiges Vertragsverhältnis, das auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf den Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet ist. Leiharbeitnehmer haben dem Verleiher ihre Arbeitsleistung anzubieten, da sie nur ihm ihre Dienste schulden. Allgemein wird aber ein Angebot an den Entleiher als ausreichend angesehen.
Nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG kann das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. Für Zeitarbeitsunternehmen gehört es zum typischen Risiko, bei fehlenden Einsatzmöglichkeiten trotzdem das vertraglich vereinbarte Entgelt fortzahlen zu müssen, was in dieser Form in anderen Arbeitsverhältnissen nicht besteht.
3.2.2 Wörtliches Angebot
Rz. 11
Hat der Gläubiger bereits zuvor erklärt, er werde die Leistung nicht annehmen oder ist zur Leistungserbringung eine Handlung des Gläubigers erforderlich, genügt nach § 295 Satz 1 BGB ein wörtliches Angebot. Diesem ist nach Satz 2 die Aufforderung, an den Arbeitgeber die erforderliche Mitwirkungshandlung vorzunehmen, gleichgestellt.
Rz. 12
Anders als beim tatsächlichen Angebot handelt es sich bei dem wörtlichen Angebot um eine geschäftsähnliche Handlung. Die Vorschriften über Willenserklärungen finden daher entsprechende Anwendung. Insbesondere muss ein Zugang des Angebots i. S. v. § 130 BGB erfolgen. Die Erklärung ist auch stillschweigend möglich, setzt aber voraus, dass der ernste Wille des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung deutlich wird. Inhaltlich muss das Angebot die gesamte geschuldete Arbeitsleistung umfassen. Gem. § 295 BGB ist vor Abgabe des Angebots eine Ablehnungserklärung des Gläubigers notwendig. Diese kann auch konkludent erfolgen.
Häufigster Fall einer ablehnenden Erklärung ist in der Praxis die Kündigung seitens des Arbeitgebers.
Es wäre reiner Formalismus, wenn der gekündigte Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein von vornherein zur Ablehnung verurteiltes Angebot machen müsste. Daher genügte nach der früheren Rechtsprechung jeglicher Protest des Arbeitnehmers gegen die Kündigung. Vor allem die Erhebung einer Kündigungsschutzklage wurde als konkludentes wörtliches Angebot gewertet. Da der Annahmeverzug in diesem Fall allerdings erst mit Zugang der Kündigungsschutzklage ausgelöst wird, besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer für den vor dem Zugang liegenden Zeitraum u. U. seinen Vergütungsanspruch verliert. Um dies zu vermeiden, greift das BAG nunmehr auf § 296 BGB zurück. Danach bedarf es eines Angebots nicht, wenn der Arbeitgeber eine nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung unterlässt. Die dem Arbeitg...