3.1 Ausrichtung der Schutzpflicht
Rz. 4
§ 618 Abs. 1 BGB bezweckt den Schutz vor den mit der Dienstleistung verbundenen Gefahren für Leben und Gesundheit, die von den technischen Einrichtungen des Betriebs ausgehen. Unter den Begriff der Gesundheit fällt allein die körperliche und psychische Integrität des Dienstverpflichteten. Nicht heranzuziehen ist deshalb der weitergehende Gesundheitsbegriff der WHO, wonach unter Gesundheit "ein Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens" zu verstehen ist. Dadurch eventuell verbleibende Lücken können durch einen Rückgriff auf die allgemeinen, aus § 242 BGB herzuleitenden Interessenwahrungspflichten geschlossen werden.
Rz. 5
Ferner erfordert die Vorschrift das Vorliegen einer Gefahr. Als solche ist die auf objektiv feststellbaren Tatsachen gegründete Besorgnis gemeint, dass bei ungehindertem Geschehensablauf ein Schaden eintritt. Dabei richten sich die Wirkungszusammenhänge nach arbeitsmedizinischen Erkenntnissen.
3.2 Gegenstand der Schutzpflicht
Rz. 6
Der Dienstberechtigte ist nach Abs. 1 Fall 1 verpflichtet, die Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten, dass von ihnen keine gesundheitlichen Gefahren für den Dienstverpflichteten ausgehen. Um dem Normzweck gerecht zu werden, ist der Begriff des Raums extensiv auszulegen. Deshalb umfasst er nicht nur die reine Arbeitsstätte, sondern darüber hinaus alle Örtlichkeiten, die der Dienstverpflichtete im Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit aufzusuchen hat bzw. aufsuchen darf.
Hierzu werden Arbeitsplätze im Freien, Wasch- und Toilettenräume, Treppen, Fahrstühle, Kantinen, Pausen- und Bereitschaftsräume, Umkleiden, Betriebsparkplätze sowie Liegeräume gezählt.
Die Vorschrift legt dem Dienstberechtigten auf, solche Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, bestehende Gefahren effektiv auszuschließen.
Rz. 7
Neben den Räumen erstreckt sich die Schutzpflicht des Dienstberechtigten auch auf Vorrichtungen und Gerätschaften. Auch hier bedarf es einer weiten Auslegung. Entsprechend gehören hierzu alle Gegenstände, mit denen der Dienstverpflichtete bei der Erbringung der Dienstleistung in Berührung kommt. Dies sind insbesondere Maschinen, Werkzeuge, Anlagen, Schutzausrüstungen sowie die eingesetzten Gefahrstoffe. Unter den Begriff der Vorrichtung kann auch Schutzkleidung, die aus hygienischen Gründen getragen werden muss, fallen. Dies gilt aber nur, soweit die Schutzkleidung den Schutz der Arbeitnehmer – etwa im Lebensmittelrecht vor Infektionsgefahren – bezwecken soll.
Rz. 8
Abzugrenzen vom gegenständlichen Schutzbereich der Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften ist der Schutzbereich der Regelung der Dienstleistung (Abs. 1 Fall 2). Der Dienstberechtigte muss die unter seiner Anordnung oder Leitung zu erbringende Dienstleistung so regeln, dass eine Gefahr für Leib oder Leben des Dienstverpflichteten auszuschließen ist. Im Vordergrund steht dabei das gesundheitsbewusste Verhalten bei der Ausführung der Dienstleistung. Diese Pflicht des Arbeitgebers wird auch durch die Normen des europäischen und des nationalen Arbeitsschutzrechts konkretisiert. Die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften wird damit zugleich arbeitsvertraglich geschuldet. Dies wirkt sich auf das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO aus. Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber die festgelegten Grenzen der höchstzulässigen Arbeitszeit einzuhalten. Mit der Verpflichtung aus § 618 Abs. 1 BGB geht die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 4 Nr. 1 ArbSchG einher, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Dieser Pflicht genügt der Arbeitgeber nicht bereits, indem er eine sicherheitstechnische Beratung in Anspruch nimmt; vielmehr muss er hinreichende Schutzeinrichtungen gegen einen Zugriff auf gefährliche Maschinen sicherstellen.
Auch die gestellte Dienstkleidung muss so beschaffen sein, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, wie die Natur der Arbeitsleistung es gestattet. Schutzpflichten hinsichtlich der Dienstkleidung sind nicht isoliert im Hinblick auf bestimmte Temperaturen im Sommer oder im Winter zu bewerten, sondern in Abhängigkeit von der konkreten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Ein Anspruch auf Winterkleidung kann nicht aus § 618 Abs. 1 BGB abgeleitet werden, wenn anderweitig ausreichende Schutzmaßnahmen gegen Kälte getroffen werden. Wachpolizisten im Objektschutz sind etwa bereits durch die Einrichtung von 8/4-Schichten, Postenhäuschen und die zur Verfügung gestellten Ganzjahresstiefel mit einer waschbaren, herausnehmbaren Funktionseinlegesohle, Funktionssocken sowie die nach dem "Zwiebel-Prinzip" ihne...