Rz. 23
Der Arbeitgeber muss nur die Gründe mitteilen, die für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Es gilt der Grundsatz der subjektiven Determination.
Das BAG leitet mit der herrschenden Meinung aus § 102 BetrVG den Grundsatz der sog. "subjektiven Determinierung" ab, demzufolge der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat also die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen – und damit irreführenden – Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann. Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren. Eine ausführliche Begründung der, die Kündigung bedingenden, Abwägung ist hingegen nicht erforderlich. Dass die Abwägung zulasten des Arbeitnehmers ausgefallen ist, wird vielmehr durch den Kündigungsentschluss selbst impliziert. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er die Kündigung darauf (zunächst) nicht stützen will oder weil er sie bei seinem Kündigungsentschluss für unerheblich oder entbehrlich hält, dann ist die Anhörung selbst ordnungsgemäß. Die in objektiver Hinsicht unvollständige Unterrichtung hat lediglich "mittelbar" die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge, wenn der mitgeteilte Sachverhalt zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung nicht ausreicht, weil es dem Arbeitgeber verwehrt ist, Gründe nachzuschieben, die nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren.
Rz. 24
Der Kündigungssachverhalt muss klar umrissen und die Tatsachen, die für den Kündigungsentschluss maßgeblich waren, benannt werden, sodass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und aus der Sicht der Arbeitnehmerseite Stellung nehmen kann. Eine pauschale, schlagwort- oder stichwortartige Bezeichnung des Kündigungsgrunds reicht daher grds. nicht aus, es sei denn, sie bezieht sich auf betriebliche Verhältnisse, über die der Betriebsrat einen Überblick hat. Für die Wissenszurechnung ist grds. der Kenntnisstand der Personen maßgebend, die zur Entgegennahme von Erklärungen nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG berechtigt sind.
Beispiel
Liegt ein Interessenausgleich mit Namensliste nach § 125 Abs. 1 InsO bzw. § 1 Abs. 5 KSchG vor, dann kann es zur ordnungsgemäßen Anhörung ausreichen, wenn der Arbeitgeber weitgehend auf den Sachverhalt Bezug nimmt, der dem Betriebsrat aus den Verhandlungen über den Interessenausgleich bekannt ist. Nur wenn derartige Vorkenntnisse bestritten werden, muss der Arbeitgeber die Gründe erneut detailliert darlegen.
Rz. 25
Der Inhalt der Unterrichtung hängt davon ab, ob der Arbeitgeber eine außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung aussprechen will.
Rz. 26
Bei der außerordentlichen Kündigung hat der Arbeitgeber die Tatumstände anzugeben, die aus seiner Sicht das Recht zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund geben. Ist bei einer außerordentlichen Kündigung eine Sozialauswahl vorzunehmen – so bei der betriebsbedingten Kündigung ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer – gilt hierzu das Gleiche wie für die Anhörung bei der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB gehört nicht zu den mitteilungspflichtigen Gründen. Erforderlich sind aber Angaben darüber, zu welchem Zeitpunkt sich der Kündigungssachverhalt ereignet haben soll. Eine Mitteilung an den Betriebsrat über das Bestehen eines tariflichen Sonderkündigungsschutzes des Arbeitnehmers, der eine ordentliche Kündigung weitestgehend ausschließt, aber die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung ausdrücklich zulässt, ist nicht notwendig.
Rz. 27
Bei der ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber die Tatsachen mitteilen, von denen nach seiner Beurteilung abhängt, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 und 3 KSchG). Findet das KSchG keine Anwendung, so gelten grds. die gleichen Anforderungen im Hinblick auf Inhalt und Umfang der Mitteilungspflichten. Allerdings ist bei der Intensität der Unterrichtung des Betriebsrats über die Kündigungsgründe innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Wartezeit ...