6.1 Verbot der ordentlichen Kündigung
Rz. 121
Abgesehen von der Kündigung aus wichtigem Grund erklärt § 15 Abs. 1–3a KSchG die Kündigung für unzulässig. Nur unter der Voraussetzung des § 15 Abs. 4 oder 5 KSchG ist sie zulässig. Maßgebend ist daher deren Zeitpunkt, nicht der Zeitpunkt der durch sie herbeigeführten Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Während des Zeitraums, in dem der Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung besteht, kann die Kündigung nicht ausgesprochen werden. Eine vor Beginn des besonderen Kündigungsschutzes ausgesprochene Kündigung führt dagegen, auch wenn die Kündigungsfrist erst nach diesem Zeitpunkt endet, zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Es genügt allerdings nicht, dass das Kündigungsschreiben abgesandt wurde; es muss auch zugegangen sein. Eine Kündigung während der Dauer des besonderen Kündigungsschutzes ist auch zu einem Zeitpunkt nach Beendigung des Sonderschutzes unzulässig und nichtig.
Erlangt ein Arbeitnehmer während eines Kündigungsschutzprozesses den besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung, so kann das Arbeitsgericht einem Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG, soweit er auf einen Sachverhalt gestützt wird, der erst nach Erlangung des besonderen Kündigungsschutzes entstanden ist, nur stattgeben, wenn dieser Sachverhalt geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB abzugeben.
§ 15 Abs. 1 S. 1 KSchG findet keine analoge Anwendung, sodass es keiner Zustimmung des Betriebsrats bedarf.
Rz. 122
Das Verbot gilt auch für eine Änderungskündigung. Keine Rolle spielt nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG, ob der geschützte Arbeitnehmer dadurch eine Sonderstellung gegenüber gleichgestellten Arbeitnehmern erhält, insbesondere bei der Massenänderungskündigung. Das Ergebnis, das sich allein auf den Wortlaut der Norm stützt, erscheint wenig überzeugend: Der Schutz des Mandats wird zur Privilegierung, die bei der ungeschützten Belegschaft die Akzeptanz kaum fördern dürfte. Zu Recht befürwortet daher die ganz herrschende Lehre eine teleologische Reduktion. Wenn das BAG in einer neueren Entscheidung festgestellt hat, die Zulässigkeit der ordentlichen Kündigung nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG "deutet darauf hin, dass nach Ansicht des Gesetzgebers die in § 15 KSchG genannten Personen eines besonderen Schutzes vor einer Kündigung nicht bedürfen, soweit die Kündigung Folge einer generellen Maßnahme ist und sich nicht gegen die einzelnen Mandatsträger richtet", ist ihm zuzustimmen, und vielleicht deutet sich darin eine Änderung der Rechtsprechung an.
6.2 Zulässigkeit bei Betriebsstilllegung oder Stilllegung einer Betriebsabteilung
Rz. 123
Die ordentliche Kündigung ist nur ausnahmsweise zulässig, nämlich wenn der Betrieb stillgelegt oder die Betriebsabteilung stillgelegt wird, in der die geschützte Person beschäftigt wird und eine Übernahme in eine andere Betriebsabteilung aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist (§ 15 Abs. 4 und 5 KSchG). Auch für Initiatoren einer Betriebsratswahl nach § 15 Abs. 3a KSchG gilt im Fall einer Betriebsstilllegung § 15 Abs. 4 KSchG, wie inzwischen aufgrund der Ergänzung durch das BeRModG klargestellt ist.
Als § 15 Abs. 3a KSchG eingefügt wurde, hätte auch Abs. 4 der Vorschrift neu gefasst werden müssen. Dass dies nicht geschehen ist, ist ein gesetzgeberisches Versehen.
Rz. 124
Der Begriff der Stilllegung hat denselben Inhalt wie in § 106 Abs. 3 Nr. 6 BetrVG und § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG. Die Stilllegung des Betriebs betrifft die Organisation, die nach ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Abgrenzung einen Betrieb darstellt. Ihr wir...