1 Allgemeines
Rz. 1
§ 6 KSchG soll den häufig nicht rechtskundigen Arbeitnehmer schützen, der rechtzeitig Klage gegen eine Kündigung erhebt. Im Einzelnen ist jedoch vieles streitig. Hat der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit einer Kündigung innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich geltend gemacht, kann er sich auch nach Ablauf dieser Frist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in 1. Instanz auf weitere Gründe berufen, die zur Unwirksamkeit dieser Kündigung führen.
§ 6 KSchG gilt entsprechend, wenn der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit einer Befristung seines Arbeitsverhältnisses im Rahmen einer Entfristungsklage geltend macht (vgl. § 17 Satz 2 TzBfG).
Rz. 2
Der Anwendungsbereich des § 6 Satz 1 KSchG wurde mit Wirkung zum 1.1.2004 erweitert. Nach der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung konnte der Arbeitnehmer bei rechtzeitiger Klageerhebung ergänzend nur die Sozialwidrigkeit der Kündigung in das gerichtliche Verfahren einführen. Seit dem 1.1.2004 kann sich der Arbeitnehmer nach Ablauf der 3-Wochen-Frist auch auf die Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen berufen, z. B. aufgrund fehlerhafter Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG oder Zurückweisung der Kündigung mangels Vorlage einer Originalvollmacht nach § 174 BGB. Mit der Neufassung hat der Gesetzgeber § 6 Satz 1 KSchG damit redaktionell an den zeitgleich erweiterten Anwendungsbereich des § 4 Satz 1 KSchG angepasst.
2 Voraussetzung: Klageerhebung
Rz. 3
§ 6 Satz 1 KSchG ist unmittelbar nur anwendbar, wenn der Arbeitnehmer eine Kündigung rechtzeitig im Klagewege angegriffen hat. Nur in diesem Fall hat der Arbeitnehmer ausreichend klar zu erkennen gegeben, dass er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht hinnimmt. Ein bloßes Bestreiten der Wirksamkeit der Kündigung durch den Arbeitnehmer außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens rechtfertigt die Anwendung des § 6 Satz 1 KSchG nicht. Es genügt jedoch, dass aus der Klage ersichtlich ist, gegen wen sie sich richtet, wo der Kläger tätig war und vor allem, dass er seine Kündigung nicht als berechtigt anerkennen will.
Die verlängerte Anrufungsfrist des § 6 Satz 1 KSchG entbindet den Arbeitnehmer nicht von der Pflicht, jede Kündigung mit einer gesonderten Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG anzugreifen.
2.1 Kündigungsschutzklage
Rz. 4
Nach dem Wortlaut des § 6 Satz 1 KSchG kann sich der Arbeitnehmer auf die verlängerte Anrufungsfrist berufen, wenn er innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung die Unwirksamkeit der Kündigung im Klageweg geltend macht, d. h. fristgemäß Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG erhebt.
Hat der Arbeitnehmer gegen eine (Folge-)Kündigung – zulässigerweise – eine Kündigungsschutzklage im Wege der Anschlussberufung in ein zweitinstanzliches Verfahren eingeführt und die Anschließung infolge einer Berufungsrücknahme durch den Arbeitgeber ihre Wirkung verloren (§ 524 Abs. 4 ZPO), kann er mit einer die Kündigung betreffenden weiteren Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht in analoger Anwendung der in § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG bestimmten Frist durchdringen, wenn er die neue Klage innerhalb von 2 Wochen ab Kenntnis vom Wirkungsverlust anhängig macht. Dies folgt auch aus dem Rechtsgedanken des § 6 KSchG.
2.2 Allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO
Rz. 5
Hat der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung erhoben und zusätzlich einen zulässigen allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO gestellt, kann er etwaige weitere Kündigungen auch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG in das gerichtliche Verfahren einbringen. Ein Rückgriff auf § 6 Satz 1 KSchG ist nicht erforderlich.
Rz. 6
Eine Anwendung des § 6 Satz 1 KSchG kommt aber in Betracht, wenn der Arbeitnehmer von vornherein statt des Kündigungsschutzantrags nach § 4 Satz 1 KSchG nur einen allgemeinen Feststellungsantrag stellt und die allgemeine Feststellungsklage nachträglich auf eine Kündigungsschutzklage umstellen will. Das BAG hat dies bislang allerdings nur für die Entfristungsklage nach § 17 Satz 1 TzBfG entschieden.