Rz. 43
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil unter Wahrung seiner bisherigen Identität durch Rechtsgeschäft auf einen Betriebserwerber über, tritt dieser betriebsverfassungsrechtlich an die Stelle des früheren Betriebsinhabers. Mit dem vom BetrVG verwandten Begriff des Arbeitgebers wird der jeweilige Inhaber des Betriebs als Organ der Betriebsverfassung bezeichnet. Der neue Betriebsinhaber ist daher zur Fortführung einer im Betrieb bzw. Betriebsteil bestehenden Vergütungsordnung verpflichtet. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Fortführung in einem neuen Betrieb oder als neuer Betrieb fortgeführten Betriebsteil ohne wesentliche Änderung der bestehenden Organisation erfolgt (BAG, Beschluss v. 14.8.2013, 7 ABR 56/11). Mit welchem Inhalt diese allerdings bei dem Erwerber weiter gilt, richtet sich grundsätzlich nach dem Geltungsgrund vor dem Betriebsübergang (vgl. BAG, Beschluss v. 8.12.2009, 1 ABR 66/08).
Rz. 43a
Beruhte die Anwendung einer betrieblichen Vergütungsordnung auf der Tarifbindung des Veräußerers, ist für deren dynamische Fortgeltung grundsätzlich die Tarifbindung des Erwerbers (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) erforderlich. Endet die normative Geltung des Tarifvertrags mit dem Übergang des Betriebs auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber, ist dieser betriebsverfassungsrechtlich nur gehalten, das bei dem Veräußerer geltende tarifliche Entgeltschema mit dem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Inhalt fortzuführen (BAG, Urteil v. 25.4.2017, 1 AZR 427/15). Zwar entfällt mangels Tarifbindung des Erwerbers der bisherige Geltungsgrund der Vergütungsordnung. Gleichwohl bleibt die ursprünglich tarifliche Vergütungsordnung die für den Betrieb maßgebliche Entgeltstruktur. Zu einer Nachbindung des Erwerbers an die für den Veräußerer geltenden Tarifverträge nach § 3 Abs. 3 TVG kommt es nicht. Die nach einem Betriebsübergang vereinbarten tariflichen Änderungen des Entgeltschemas wirken sich daher nicht mehr auf die statisch weiter geltende betriebliche Vergütungsordnung aus.
Rz. 43b
Hat der tarifgebundene Betriebsveräußerer die tariflichen Entlohnungsgrundsätze aufgrund einer einzelvertraglichen Bezugnahme oder aufgrund betrieblicher Übung auch auf die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer des Betriebs angewandt, hat er damit für diese Arbeitnehmergruppe einen eigenständigen Geltungsgrund geschaffen. In diesem Fall besteht im Betrieb betriebsverfassungsrechtlich eine einheitliche Vergütungsordnung für die tarifgebundenen und die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer. Mit welchem Inhalt diese nach einem Betriebsübergang weiter gilt, ist abhängig von der ursprünglichen Ausgestaltung ihres Geltungsgrundes beim Veräußerer.
Wird das tarifliche Entgeltschema in seiner jeweiligen Fassung in Bezug genommen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich dabei um eine bloße Gleichstellungsabrede oder um eine vom Wegfall der Tarifbindung des Arbeitgebers unabhängige dynamische Bezugnahme auf das Tarifrecht handelt.
- Liegt eine Gleichstellungsabrede vor, ist der Erwerber nicht zur Anpassung der betrieblichen Vergütungsordnung an künftige Änderungen des einschlägigen tariflichen Entgeltschemas verpflichtet.
- Hingegen richtet sich ihr Inhalt nach dem jeweils einschlägigen tariflichen Entgeltschema, wenn es sich um eine von der Tarifbindung des Veräußerers unabhängige Bezugnahmeklausel handelt (BAG, Urteil v. 25.4.2017, 1 AZR 427/15).