Rz. 18
Unter den Betriebsänderungstatbestand des § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG fallen nur grundlegende Änderungen. Damit wird klargestellt, dass nicht alltägliche Änderungen und nicht einmal erhebliche Änderungen im Betrieb eine Betriebsänderung darstellen. Die Änderung muss einen "Sprung in der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung" darstellen, der wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge hat. Es kann hinsichtlich der Auswirkungen wiederum auf die (modifizierte) Zahlenstaffel des § 17 Abs. 1 KSchG zurückgegriffen werden, zur Zahlenstaffel s. Rz. 9).
Rz. 19
Unter einer Änderung der Betriebsorganisation wird eine vollständige Änderung des Betriebsaufbaus, der Gliederung des Betriebs, der innerbetrieblichen Zuständigkeiten oder Unterstellungsverhältnisse oder eine Einführung von Großraumbüros verstanden.
Eine Änderung der Betriebsorganisation liegt vor, wenn der Betriebsaufbau, insbesondere hinsichtlich Zuständigkeiten und Verantwortung, umgewandelt wird. Grundlegend ist die Änderung, wenn sie sich auf den Betriebsablauf in erheblicher Weise auswirkt. Maßgeblich dafür ist der Grad der Veränderung. Es kommt entscheidend darauf an, ob die Änderung einschneidende Auswirkungen auf den Betriebsablauf, die Arbeitsweise oder die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer hat. Die Änderung muss in ihrer Gesamtschau von erheblicher Bedeutung für den gesamten Betriebsablauf sein. Nur dann ist die mit § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG verbundene Fiktion gerechtfertigt, dass die Maßnahme i. S. v. § 111 Satz 1 BetrVG wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile davon zur Folge hat.
Beim "Outsourcing" der Aufgaben eines Betriebsteils kommt es daher darauf an, ob sich dies auf den gesamten Betriebsablauf oder auf die Arbeitsweise und -bedingungen Spaltung eines Betriebs der nicht unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer gravierend auswirkt.
In der Übertragung einer bislang mit eigenen Arbeitnehmern durchgeführten Aufgabe auf selbständige Handelsvertreter liegt in der Regel eine Betriebsänderung nach § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG; unter den Voraussetzungen des § 17 KSchG liegt darin zugleich eine Betriebsänderung nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG.
Rz. 20
Änderungen des Betriebszwecks stellen eine Betriebsänderung dar, wenn der arbeitstechnische Zweck des Betriebs geändert wird. Grundlegend ist die Änderung nur, wenn der Gegenstand der Betriebstätigkeit (oder die Produktion) vollständig geändert wird, ein reiner Modellwechsel genügt nicht. Markant: Werden in einem Schlachthof, in dem bislang Rinder, Kälber und Schweine geschlachtet wurden, künftig nur noch Schweine geschlachtet, so liegt darin keine grundliegende Änderung des Betriebszweckes i. S. v. § 111 Satz 2 Nr. 3 BetrVG.. Dabei habe die Zahl der Arbeitnehmer, die von der Änderung der einzelnen Betriebsanlagen betroffen werden, indizielle Bedeutung dafür, ob es sich um Betriebsanlagen von erheblicher Bedeutung handelt. Bei der Frage, ob die Änderung der Betriebsanlagen grundlegend ist, komme es entscheidend auf den Grad der technischen Änderung an. Im Zweifelsfall könne sich eine grundlegende Änderung auch aus dem Grad der nachteiligen Auswirkungen der Änderungen auf die betroffenen Arbeitnehmer ergeben.
Der Betriebszweck kann sich aber auch dadurch ändern, dass dem Betrieb eine weitere Abteilung mit neuem Betriebszweck hinzugefügt wird.
Rz. 21
Betriebsanlagen, deren grundlegende Änderung eine Betriebsänderung darstellt, sind nicht nur die Produktionsanlagen. Unter den Begriff fallen alle Gegenstände, die nicht zur Veräußerung bestimmt sind, sondern den arbeitstechnischen Produktions- und Dienstleistungsprozess gestalten. Die Anlagen müssen allerdings in der Gesamtschau des betrieblichen Ablaufs von erheblicher Bedeutung sein. Die Einrichtung von Telearbeitsplätzen kann eine Betriebsänderung darstellen, wenn sie für den gesamten Betrieb oder wesentliche Teile hiervon erfolgt. Auch kann die Einführung einer neuen Software eine Änderung der Betriebsanlage sein. Voraussetzung ist, dass damit qualitative Auswirkungen auf Betriebsablauf, Arbeitsweise oder Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer verbunden sind. Es muss sich allerdings um tiefgreifende Änderungen in der Software handeln, die Ergänzung der bisherigen Software um ein Programm, das die bisherigen Arbeitsabläufe unterstützt, reicht nicht aus. Ebenso wenig reicht die bloße Ersatzbeschaffung für abgenutzte Maschinen oder Geräte aus, selbst dann nicht, wenn sie einen erheblichen Teil der Belegschaft betrifft..