Rz. 15
Von erheblicher praktischer Bedeutung ist § 26 Abs. 2 BetrVG, nach dem ausschließlich der Betriebsratsvorsitzende – nur im Verhinderungsfall sein Stellvertreter – zur Entgegennahme von Erklärungen, die dem Betriebsrat zugehen müssen, befugt ist. Erst in diesem Zeitpunkt beginnen gesetzliche Fristen für die Stellungnahme des Betriebsrats (§ 102 Abs. 2 BetrVG oder § 99 Abs. 3 BetrVG) zu laufen.
Der Arbeitgeber beteiligt den Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 BetrVG bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung. Da der Betriebsratsvorsitzende gerade nicht in seinem Büro ist, übergibt der Arbeitgeber das Anhörungsschreiben mit den nötigen Informationen einem anderen Betriebsratsmitglied, das er zufällig im Betrieb getroffen hat. Dieses vergisst, das Anhörungsschreiben an den Vorsitzenden weiterzuleiten. Nachdem der Arbeitgeber vom Betriebsrat eine Woche lang nichts gehört hat (§ 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG), spricht er die Kündigung aus. Die Kündigung ist unwirksam nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, da der Arbeitgeber nicht den Betriebsrat angehört hat. Die Frist zur Stellungnahme des Betriebsrats nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG beginnt erst mit Zugang der Anhörung beim Vorsitzenden – und das ist bisher nicht geschehen.
Rz. 16
Sind der Vorsitzende und der Stellvertreter verhindert, so kann der Arbeitgeber ausnahmsweise Erklärungen für den Betriebsrat gegenüber jedem Betriebsratsmitglied abgeben mit der Folge, dass der Lauf einer gesetzlichen Frist beginnt (BAG, Urteil v. 27.6.1985, 2 AZR 412/84; in den Gründen).
Etwas anderes gilt wiederum, wenn der Betriebsrat für diesen Fall Vorsorge getroffen hat und ein Betriebsratsmitglied zur Entgegennahme von Erklärungen bestimmt und dies dem Arbeitgeber mitgeteilt hat (BAG, Urteil v. 27.6.1985, 2 AZR 412/84). Diese Regelung wird zweckmäßigerweise in der Geschäftsordnung des Betriebsrats getroffen und hier festgelegt, welches Betriebsratsmitglied im Falle der Verhinderung von Vorsitzendem und Stellvertreter für die Entgegennahme von Erklärungen des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat zuständig ist. Diese Regelung muss für ihre Wirksamkeit dem Arbeitgeber bekannt gegeben werden.
Hat der Betriebsrat Aufgaben nach § 27 Abs. 2 auf einen Ausschuss zur selbstständigen Erledigung übertragen, ist der nicht der Betriebsratsvorsitzenden, sondern der Vorsitzende des Ausschusses im Rahmen der Aufgaben des Ausschusses für die dem Ausschuss gegenüber abzugebenden Erklärungen zuständig (BAG, Urteil. v. 4.8.1975, 2 AZR 266/74).