Anika Steffens, Prof. Dr. Klaus Hock †
In der Entscheidung vom 23.3.2017 hat das BAG zu der o. g. nicht geklärten Frage zur "1. Fallkonstellation" Stellung genommen und entschieden, dass Überstunden für Teilzeitbeschäftigte bei Wechselschicht- und Schichtarbeit dann entstehen, wenn die im Dienstplan ausgewiesene tägliche Arbeitszeit aufgrund der Anordnung weiterer Stunden durch "ungeplante" Stunden überschritten wird. Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt wurde bereits unter Ziffer 3 dargestellt.
Erneut analysiert das BAG den Tariftext am Wortlaut orientiert und kommt gleichermaßen zu einer anderen – dem o. g. Urteil vom 25.4.2013 vergleichbaren – Lesart:
"Abweichend von Abs. 7 sind nur die Arbeitsstunden Überstunden, die im Falle von Wechselschicht- und Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden hinaus angeordnet worden sind, und/oder die im Schichtplan vorgesehenen (festgesetzten) Arbeitsstunden, die – bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (i. S. v. § 6 Abs. 1 TVÖD-K) – im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden."
Das BAG bleibt bei seiner Auffassung, dass die Vorschrift 2 Alternativen erfasst. In der 1. Alternative solle es sich um "ungeplante" Überstunden handeln. Demgegenüber regele die 2. Alternative sog. "eingeplante" Überstunden. Hierbei sehe die 1. Alternative keine Möglichkeit eines Freizeitausgleichs im Schichtplanturnus vor. Dies sei nach dem Wortlaut lediglich der 2. Alternative vorbehalten. Die Begründung hierfür sieht das BAG darin, dass bei "ungeplanten" Überstunden 2 Belastungsfaktoren zusammentreffen, nämlich die (Wechsel-)Schichtarbeit einerseits und die ungeplante Anordnung der Überstunden andererseits. Die darin liegende Doppelbelastung rechtfertige den nicht geregelten Ausgleichszeitraum. Im Übrigen sei es gerechtfertigt, bei kurzfristigen ungeplanten Überstunden von einer höheren Belastung auszugehen als dies im Falle von von langer Hand geplanter Schichtpläne sei.
Hinweise des beklagten Krankenhauses dahingehend, dass es im Rahmen der Einführung des TVöD zum 1.10.2005 Wille der Tarifvertragsparteien gewesen sei, das Entstehen nicht ausgleichsfähiger Überstunden zu vermeiden um den Arbeitgebern flexible Handlungsmöglichkeiten zu gewähren, werden vom BAG als nicht überzeugend zurückgewiesen.
Gleichwohl kann der Wille der Tarifvertragsparteien nicht außer Acht gelassen werden. Das BAG formuliert den Tarifvertrag (erneut) um und verkennt hierbei, dass eine alternative Regelung nicht Sinn und Zweck gewesen ist. Die Tarifvertragsparteien wollten vielmehr die möglichen Dienstplangestaltungen berücksichtigen und hierbei sehr wohl auch insgesamt auf den Schichtplanturnus und die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gem. § 6 Abs. 1 TVöD Bezug nehmen. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung, durch Umformulierung eines angeblich unverständlichen Tarifwortlauts dem Tarifvertrag einen neuen Inhalt zu unterlegen. Das ist allein Aufgabe und Kompetenz der Tarifvertragsparteien.
Auf der Grundlage dieser neuen Rechtsprechung hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Urteil v. 3.5.2019, 8 Sa 340/18, die Klage einer teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin auf Überstundenzuschläge für sog. "ungeplante Überstunden" i. S. d. § 7 Abs. 8 Buchst. c 1. Alternative TVöD-K insoweit abgewiesen, als mit den ungeplanten Überstunden nicht die individuelle Sollarbeitszeit der Teilzeitkraft durch den monatlich erstellten Schichtplan bereits ausgeschöpft wurde.
Nach Auffassung des LAG Nürnberg entsteht der Anspruch auf Überstundenzuschlag für Teilzeitkräfte somit nicht bereits mit dem Überschreiten der für den Tag geplanten Arbeitszeit, sondern erst dann, wenn mit der Anordnung "ungeplanter Überstunden" auch die monatliche Sollarbeitszeit der Teilzeitkraft überschritten wird.
Im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des BAG dürfte bei Wechsel- bzw. Schichtarbeit zu berücksichtigen sein, dass bei sog. "ungeplanten" Arbeitsstunden wegen fehlender Freizeitmöglichkeit Überstunden entstehen. Auch für Teilzeitbeschäftigte dürfte dies bereits mit Überschreitung der individuell vereinbarten Arbeitszeit gelten.
Demgegenüber entstehen im Falle von "geplanten" Arbeitsstunden nur dann Überstunden, wenn die regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des § 6 Abs. 1 TVöD im Schichtplanturnus überschritten wird.
Dienstpläne, die einen nur kurzen Zeitraum umfassen, können das Entstehen "ungeplanter Arbeitsstunden" minimieren.
Auch hat das BAG in o. g. Urteil klargestellt, dass kurzfristig angeordnete Stunden auch dann keine zuschlagspflichtigen Überstunden begründen, wenn diese im Rahmen einer Dienstplanänderung geleistet wurden. Das BAG entscheidet hinsichtlich der besonderen Belastungssituation bei Wechselschicht- und Schichtarbeit zwischen kurzfristig geplanten und aus aktuellem Anlass angeordneten "ungeplanten" Stunden.