BGH, Beschluss vom 26.9.2023, VI ZR 97/22

Der BGH hat dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung u. a. zur Auslegung von Bestimmungen der DSGVO hinsichtlich des Bestehens eines unionsrechtlichen Unterlassungsanspruchs und zum Begriff des immateriellen Schadens i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorgelegt.

Sachverhalt

Der Kläger befand sich bei der Beklagten, einer Privatbank, in einem Bewerbungsprozess, der über ein Online-Portal stattfand. In diesem Zusammenhang versandte eine Mitarbeiterin der Beklagten dem Kläger über den Messenger-Dienst des Portals eine Nachricht, in welcher ihm u. a. mitgeteilt wurde, dass die Beklagte die Gehaltsvorstellungen des Klägers nicht erfüllen könne. Obwohl diese Nachricht nur für den Kläger bestimmt war, wurde sie auch einer nicht am Bewerbungsprozess beteiligten Person, die mit dem Kläger vor einiger Zeit in derselben Holding gearbeitet hatte und ihn deshalb kannte, übermittelt.

Der Kläger nahm deshalb die Beklagte wegen der Weitergabe persönlicher Daten auf Unterlassung und Ersatz immateriellen Schadens in Anspruch. Er machte geltend, dass sein Schaden nicht im abstrakten Kontrollverlust über die offenbarten Daten liege, sondern darin, dass nunmehr mindestens eine weitere Person über Umstände Kenntnis habe, die der Diskretion unterlägen. Es sei zu befürchten, dass der in der gleichen Branche tätige Dritte die in der Nachricht enthaltenen Daten weitergegeben habe oder sich durch ihre Kenntnis als Konkurrent auf etwaige Stellen im Bewerbungsprozess einen Vorteil habe verschaffen können. Auch empfinde er das "Unterliegen" in den Gehaltsverhandlungen als Schmach, die er nicht an Dritte, insbesondere nicht an potenzielle Konkurrenten, weitergegeben hätte.

Die Entscheidung

Während das Landesgericht der Klage teilweise stattgegeben hatte, hatte sie vor dem OLG keinen Erfolg. Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Auslegung der DSGVO folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. a) Ist Art. 17 DSGVO dahingehend auszulegen, dass der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, ein Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten zusteht, wenn sie vom Verantwortlichen keine Löschung der Daten verlangt?

b) Kann sich ein solcher Unterlassungsanspruch (auch) aus Art. 18 DSGVO oder einer sonstigen Bestimmung der DSGVO ergeben?

2. Falls Fragen 1a) und/oder 1b) bejaht werden:

a) Besteht der unionsrechtliche Unterlassungsanspruch nur dann, wenn künftig weitere Beeinträchtigungen der sich aus der DSGVO ergebenden Rechte der betroffenen Person zu besorgen sind (Wiederholungsgefahr)?

b) Wird das Bestehen der Wiederholungsgefahr ggf. aufgrund des bereits vorliegenden Verstoßes gegen die DSGVO vermutet?

3. Falls Fragen 1a) und 1b) verneint werden:

Sind Art. 84 i. V. m. Art. 79 DSGVO dahingehend auszulegen, dass sie es dem nationalen Richter erlauben, der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, neben dem Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens nach Art. 82 DSGVO und den sich aus Art. 17 und Art. 18 DSGVO ergebenden Ansprüchen einen Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten nach den Bestimmungen des nationalen Rechts zuzusprechen?

4. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass für die Annahme eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung bloße negative Gefühle wie z. B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst, die an sich Teil des allgemeinen Lebensrisikos und oft des täglichen Erlebens sind, genügen? Oder ist für die Annahme eines Schadens ein über diese Gefühle hinausgehender Nachteil für die betroffene natürliche Person erforderlich?

5. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters bzw. seiner Mitarbeiter ein relevantes Kriterium darstellt?

6. Falls Fragen 1a), 1b) oder 3 bejaht werden:

Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens als anspruchsmindernd berücksichtigt werden kann, dass der betroffenen Person neben dem Anspruch auf Schadensersatz ein Unterlassungsanspruch zusteht?

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?