Auch bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern besteht grundsätzlich die Mitwirkungsobliegenheit. Wie unter Gliederungsziffer 7.2 dargestellt, verfällt der (gesetzliche) Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres.
Diese seit dem Jahr 2012 bestehende Erkenntnis muss nun im Lichte der Rechtsprechung zur Mitwirkungsobliegenheit betrachtet werden. In oben genannter Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2021 hat dieses zwar die Verpflichtung zum Hinweis auch beim langzeiterkrankten Arbeitnehmer erkannt, jedoch eine wichtige Besonderheit zur Rechtsfolge dargestellt: Bei einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit erlischt der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres auch ohne einen entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers. Ein fehlender Hinweis auf den drohenden Verfall führt nicht zum Fortbestand des Urlaubsanspruchs über die 15-Monats-Grenze hinaus.
Dieser Verfall des Urlaubsanspruchs bei lang andauernder Krankheit auch ohne Hinweis auf den Verfall gilt jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer durchgängig arbeitsunfähig krank ist. Das BAG hat dies insoweit konkretisiert, dass der Arbeitnehmer das ganze Urlaubsjahr ununterbrochen arbeitsunfähig krank ist und diese Arbeitsunfähigkeit durchgängig die gesamte Zeit ist bis zum Ablauf der 15 Monate nach Schluss des Urlaubsjahres.
Nach Ansicht des EuGH muss dies jedoch für Urlaubsjahre eingeschränkt werden, in denen ein Arbeitnehmer nur für einen Teil des Urlaubsjahres arbeitsunfähig war. Insoweit verbleibe es bei dem Grundsatz, dass ein Verfall nur dann eintreten könne, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen sei.
Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers endete mit Ablauf des 31.12.2019. Er war ab dem 18.11.2015 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (2019) arbeitsunfähig krank. Im Jahr 2015 hatte er 21 Tage Urlaub genommen. Gesamtanspruch: 30 Tage Urlaub im Kalenderjahr. Der Arbeitgeber erteilte während des Arbeitsverhältnisses zu keinem Zeitpunkt einen Hinweis auf den Urlaubsverfall in der von der Rechtsprechung geforderten Form.
Es stellt sich die Frage nach dem Verfall des Urlaubs.
Nr. |
Urlaubsjahr |
Folge |
Zum Zeitpunkt |
Folge |
1 |
2015 |
Abgeltung |
|
Da der Arbeitnehmer im Jahr 2015 nicht durchgängig krank war, greift die Besonderheit nicht, dass der Urlaub auch ohne Hinweis nach 15 Monaten verfällt. |
2 |
2016 |
Verfall |
31.3.2018 |
Trotz fehlendem Hinweis des Arbeitgebers wegen Krankheit im gesamten Urlaubsjahr + 15 Monate danach |
3 |
2017 |
Verfall |
31.3.2019 |
wie Nr. 2 |
4 |
2018 |
Abgeltung |
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15-Monats-Frist noch nicht abgelaufen |
5 |
2019 |
Abgeltung |
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15-Monats-Frist noch nicht abgelaufen |
Zur Abgeltung kommen also die Urlaubsansprüche der Jahre 2018 und 2019. Die Urlaubsansprüche der Jahre 2016 und 2017 sind nach der Entscheidung wegen des Ablaufs der 15-Monats-Frist verfallen, auch ohne einen Hinweis des Arbeitgebers. Hinsichtlich der aus dem Jahr 2015 stammenden Urlaubstage greift die Besonderheit des Verfalls trotz fehlendem Hinweis nicht.
Es empfiehlt sich den Hinweis möglichst zu Beginn des Kalenderjahres zu erteilen.
Das Bundesarbeitsgericht hat in einem interessanten Fall diese Grundsätze wie folgt konkretisiert:
Der seit dem Jahr 1989 im Arbeitsverhältnis stehende Arbeitnehmer erkrankt ab dem 18.1.2016. Er bleibt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 28.2.2019 durchgängig arbeitsunfähig krank. In dem Verfahren beim Bundesarbeitsgericht ging es (unter anderem) um die Abgeltung von 30 Tagen Urlaub aus dem Jahr 2016, mithin dem Jahr, in dem der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Der Arbeitgeber er hat seine Mitwirkungsobliegenheit nicht erfüllt.
Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass der Arbeitnehmer bereits am 18. Januar des Jahres 2016 erkrankt ist. Hätte der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt, hätte der Arbeitnehmer dennoch nicht seinen gesamten Urlaub bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit nehmen können. Insoweit kam es in vorliegendem Fall darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflicht erfüllen muss.
Das Bundesarbeitsgericht
hat entschieden, dass bei Langzeiterkrankungen die 15-monatige Verfallfrist ausnahmsweise unabhängig von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten beginnen kann, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich war, zuvor seinen Obliegenheiten nachzukommen. Erkrankt also der Arbeitnehmer zu einem so frühen Zeitpunkt im Urlaubsjahr dauerhaft, dass er selbst bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch den Arbeitgeber seinen Urlaub nicht vollständig hätte nehmen können, bleibt ihm nach Ablauf der 15-Monatsfrist nur die Anzahl an Urlaubstagen erhalten, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Möglichkeit des Arbeitgebers, einen Mitwirkungsobliegenheit nachzukommen, bis zum Eintritt seiner Erkrankung erfüllt werden konnte.
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts muss der Arbeitgeber also "unverzüglich" seiner V...