Das Tatbestandsmerkmal "Annahme" ist nicht rechtstechnisch im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Annahmeerklärung zu verstehen. Insofern bedarf es keiner formellen Annahmeakte oder Willenserklärungen, durch die der Antragsempfänger normalerweise dem Antragenden sein Einverständnis mit dem angebotenen Vertragsschluss zu verstehen gibt. So kann auch schlüssiges Verhalten, etwa das private oder dienstliche Be- oder Ausnutzen eines Vorteils, eine Annahme darstellen.
Ebenso wie § 10 BAT verlangt auch § 3 Abs. 2 TVöD kein Zusammenwirken des Dritten mit dem Beschäftigten. Das liegt an dem hohen Rang des Schutzzwecks, den die Vorschrift im Auge hat: Es soll bereits der böse Anschein vermieden werden, der Beschäftigte sei durch Vergünstigungen beeinflussbar.
Entscheidend kommt es deshalb darauf an, dass der Beschäftigte die Vergünstigung in der Weise "annimmt", dass er oder mit seiner Billigung auch ein Dritter den sich aus der Vergünstigung ergebenden Vorteil tatsächlich nutzt.
Gelangt die Vergünstigung ohne Wissen oder gegen den Willen des Beschäftigten in seinen Empfangsbereich (z. B. Briefkasten), so liegt hierin allein noch keine Annahme im Sinne des § 3 Abs. 2 TVöD. Erst das Behalten der Vergünstigung und die Nutzung des damit verbundenen Vorteils erfüllen das Tatbestandsmerkmal der Annahme.
Eine Annahme kann auch darin zu sehen sein, dass der Beschäftigte den Zuwendenden auffordert, die Vergünstigung einer ihm nahestehenden Person zukommen zu lassen. Ebenso kann die tatsächliche Nutzung des Vorteils aus der Vergünstigung dadurch erfolgen, dass der Beschäftigte die Vergünstigung an Angehörige, Freunde etc. weitergibt oder sie z. B. einem Verein, dem er angehört, zugutekommen lässt. In diesen Fällen erlangt der Beschäftigte den Vorteil zwar „nur“ mittelbar, gleichwohl wird unterstellt, dass er aus der Weitergabe der Vergünstigung einen persönlichen Nutzen zieht. So ist beispielsweise nach der "Verwaltungsvorschrift über die Annahme von Belohnungen und Geschenken vom 30. April 2024" der Freien Hansestadt Bremen ein an einen Ehe- oder Lebenspartner gewährter Vorteil immer als Vorteil der Beschäftigten zu bewerten.
Eine tatsächliche Nutzung des Vorteils liegt an und für sich (noch) nicht vor, wenn der Beschäftigte im Vorfeld eine Vergünstigung fordert oder sich versprechen lässt. Allerdings könnte ein solches Verhalten des Beschäftigten dem Dritten zu der Hoffnung Anlass geben, dass durch die Gewährung der Vergünstigung auf die Aufgabenerfüllung Einfluss genommen werden kann. Um diesen Anschein zu vermeiden, ist das Tatbestandsmerkmal "Annahme" in einem solchen Fall als erfüllt anzusehen.
Nach den gleichen Grundsätzen ist der Fall der vorläufigen Annahme zu beurteilen. Gibt der Beschäftigte die Vergünstigung nicht unverzüglich zurück, sondern spielt erst einmal mit dem Gedanken, sie zu behalten, so steht zunächst nicht fest, ob er den mit der Vergünstigung verbundenen Vorteil nutzen wird. Um von vornherein erst gar keine Zweifel über die Annahme aufkommen zu lassen und die Gefahr der Beeinflussbarkeit, die der Beschäftigte mit der Inempfangnahme der Vergünstigung heraufbeschwört, auszuschließen, schließt die Erklärung des Beschäftigten, er wolle die Vergünstigung nicht behalten, die Annahme grundsätzlich nicht aus. Lediglich dann, wenn für einen außenstehenden Dritten offensichtlich ist, dass für den Beschäftigten die tatsächliche Nutzung der Vergünstigung nicht infrage kommt, verstößt der Beschäftigte mit der vorläufigen Annahme noch nicht gegen das Verbot des § 3 Abs. 2 TVöD. Allerdings hat der Beschäftigte seinen Arbeitgeber über das Angebot unverzüglich zu unterrichten (siehe hierzu nachfolgend Ziffer 4).