17.4.1 Die tarifliche Ausschlussfrist
Die Forderung auf Rückzahlung überzahlter Vergütungen unterliegt der tariflichen Ausschlussfrist des § 70 BAT ..
Dies gilt, obwohl § 70 BAT dem Wortlaut nach nur Ansprüche "aus dem Arbeitsverhältnis" erfasst. Der Rückzahlungsanspruch hat seinen Ursprung im Arbeitsverhältnis, was ausreicht.
Der Rückzahlungsanspruch ist schriftlich geltend zu machen. Dem tarifvertraglichen Schriftformerfordernis ist Genüge getan, wenn der Anspruch in Form eines Telefax -Schreibens erhoben wird. (BAG, Urt. v. 11.10.2000 - 5 AZR 313/99, ZTR 2001, 273 zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe.)
Die sechsmonatige Ausschlussfrist beginnt grundsätzlich mit der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruches zu laufen. Liegt die Ursache der Zuvielzahlung in der Sphäre des Arbeitgebers, wird der Anspruch auf Rückzahlung grundsätzlich im Zeitpunkt der Überzahlung fällig.
Aufgrund eines Fehlers bei der Erfassung der Personaldaten durch die EDV-Abteilung der Personalverwaltung wurde einer ledigen Mitarbeiterin über Jahre hinweg Ortszuschlag der Stufe 2 statt 1 ausgezahlt. Anlässlich einer Rechnungsprüfung wurde der Fehler entdeckt.
Die in den letzten sechs Monaten zu viel gezahlten Beträge können zurückgefordert werden.
Hat der Arbeitnehmer seine Anzeigepflichten gegenüber dem Arbeitgeber verletzt, so beginnt die Ausschlussfrist erst in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Arbeitgeber Kenntnis von den Umständen erlangt, die zur Überzahlung geführt haben. (BAG, Urt. v. 01.06.1995, 6 AZR 912/94; Urt. v. 16.11.1989, 6 AZR 114/88)
Grund für den späteren Eintritt der Fälligkeit in diesen Fällen ist, dass der Arbeitgeber die Überzahlung nicht hat erkennen können (BAG, Urt. v. 14.09.1994, 5 AZR 407/93).
Die Verletzung von Anzeigepflichten gewinnt insbesondere Bedeutung im Rahmen der Ortszuschlagszahlungen. Hier wird der Angestellte – in den Antragsvordrucken zum Kindergeld/Ortszuschlag – in der Regel ausdrücklich verpflichtet, Änderungen in den familiären Verhältnissen dem Arbeitgeber anzuzeigen.
Der Arbeitnehmer hat es versäumt, dem Arbeitgeber anzuzeigen, dass seine Ehefrau eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst aufgenommen hat.
Die Ausschlussfrist für den Anspruch auf Rückzahlung des zu viel gezahlten "halben ehegattenbezogenen Anteils im Ortszuschlag" beginnt erst zu laufen, wenn der Arbeitgeber von der Berufstätigkeit der Ehefrau erfährt.
Wird die Rückzahlung im Wege des Schadensersatzes geltend gemacht, so unterliegt auch dieser Anspruch der Ausschlussfrist des § 70 BAT!
17.4.2 Die Verjährungsfrist
Bis zum 31.12.2001 unterlag der Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung zu viel gezahlter Vergütung der regelmäßigen 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB (a.F.).
Mit Wirkung zum 1.1.2002 wurde die regelmäßige Verjährungsfrist auf drei Jahre verkürzt (§ 195 BGB (n.F.).
Beginn der (kurzen) regelmäßigen Verjährungsfrist und Höchstfristen
Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem
- der Anspruch entstanden ist, und
- der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB n.F).
Wird die Rückforderung als Schadensersatzanspruch aus Eigentumsverletzungen (§§ 823 ff. BGB) geltend gemacht, so verjährt der Schadensersatzanspruch
- ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an, und
- ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 199 Abs. 3 BGB n.F).
Maßgeblich ist die früher endende Frist.
Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff BGB) verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an (§ 199 Abs. 4 BGB n.F.).
Praxisbeispiel zur Anwendung des BGB n.F.:
Der Mitarbeiter zeigt seinem Arbeitgeber mehr als 15 Jahre lang nicht an, dass er seit 15. Januar 2002 ohne Unterhaltsverpflichtung geschieden ist. Er hat für die gesamte Zeit ungerechtfertigt den Ortszuschlag der Stufe 2 erhalten.
Der Arbeitgeber muss innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 70 BAT die Zuvielzahlung schriftlich zurückfordern.
Der Mitarbeiter kann der Rückforderung teilweise die Einrede der Verjährung entgegenhalten: Ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Arbeitgebers von seinem Rückforderungsanspruch ist der Rückforderungsanspruch hinsichtlich der mehr als 10 Jahre zurückliegenden Zeiträume verjährt (§ 199 Abs. 3 und 4 BGB n.F.).