OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.2.2024, 5 L 9/23
Auch die einmalige Verletzung der Schweigepflicht durch Weitergabe von dienstlich erlangten vertraulichen Informationen an Dritte kann zum Ausschluss von Personalratsmitgliedern aus dem Gremium führen.
Sachverhalt
Die antragstellende Dienststelle warf der Personalratsvorsitzenden (Beteiligte zu 1) vor, eine vertrauliche Mitteilung einer Bediensteten publik gemacht und somit ihre Verschwiegenheitspflicht verletzt zu haben. Es ging hierbei um einen Vorfall aus Juni 2022. Die im Berufstrainingszentrum der Antragstellerin Beschäftigte Frau R. wandte sich an die Beteiligte und teilte dieser – zunächst mündlich -mit, dass sie anlässlich von kürzlich erfolgten Besuchen des Fachbereichsleiters K. bei diesem Alkoholgeruch wahrgenommen habe. Nachdem sie durch die Personalratsvorsitzende gebeten wurde, ihr die Anzeige in schriftlicher Form zukommen zu lassen, übersandte Frau R. ihr eine mit den Worten "Vertraulich Personalrat" überschriebene E-Mail, in dem der Vorfall geschildet wurde. Hinweise auf den Absender enthielt die Mail nicht; jedoch wurde nochmals dringend auf die vertrauliche Behandlung dieses Themas hingewiesen. Zudem wurde "dringlich" darum gebeten, "dieses Thema aufzugreifen" und dem Mitarbeiter K. "Hilfe anzubieten", sofern er eine Krankheit habe. Kurz darauf suchte die Personalratsvorsitzende den Hauptgeschäftsführer der Antragstellerin auf und teilte diesem – unter Hinweis auf die vertrauliche Behandlung – mit, dass eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter ihr gegenüber den Verdacht geäußert habe, der Fachbereichsleiter K. sei dort kurz zuvor in alkoholisiertem Zustand aufgetreten. Zudem übersandte sie die E-Mail von Frau R. in anonymisierter Form an den Hauptgeschäftsführer der Antragstellerin. Tags darauf traf die Personalratsvorsitzende im Sekretariat auf 2 dort zu diesem Zeitpunkt allein anwesende, nicht dem Personalrat angehörende, Mitarbeiterinnen. Sie berichtete hierbei über den ihr mitgeteilten Vorfall und nannte auch den Namen der Informantin. Aufgrund dessen hat nun die Antragstellerin das Verwaltungsgericht angerufen und den Ausschluss der Personalratsvorsitzenden aus dem (zu 2. Beteiligten) Personalrat beantragt.
Die Entscheidung
Dem Antrag wurde stattgegeben. Die Voraussetzungen für den Ausschluss der Beteiligten zu 1. aus dem Personalrat nach § 27 Abs. 3 Satz 1 PersVG LSA waren nach Auffassung des Gerichts erfüllt. Es begründete dies damit, dass die Personalratsvorsitzende ihre gesetzlichen Pflichten in grober Weise verletzt habe; denn gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 PersVG LSA haben Personen, die Aufgaben und Befugnisse nach dem Personalvertretungsgesetz wahrnehmen oder wahrgenommen haben, über die ihnen dabei bekanntgewordenen persönlichen Angelegenheiten und Tatsachen, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren. Die Verschwiegenheitspflicht erfahre hierdurch eine besondere Betonung im Gesetz und erhebe sie zu einer der Hauptpflichten des Personalrats. Das Gericht führte weiter aus, dass der Schweigepflicht alle Angelegenheiten und Tatsachen unterlägen, die bei der Wahrnehmung von Aufgaben des Personalrates und dessen Befugnissen bekannt würden oder bekannt geworden seien, sowohl dienstliche wie auch außerdienstliche. Hiervon seien nicht nur feststehende Sachverhalte, Daten und Fakten erfasst, sondern auch Meinungsäußerungen, Spekulationen und Werturteile. Einschränkend sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Schweigepflicht nur die Angelegenheiten und Tatsachen unterfielen, die den verpflichteten Personen bei der Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen nach dem PersVG LSA bekannt geworden seien. Es bedürfe somit eines Zusammenhangs zwischen der Kenntnisnahme und der personalvertretungsrechtlichen Aufgabenwahrnehmung.
Dies sei jedoch vorliegend zu bejahen. Durch das Gespräch mit den 2 Mitarbeiterinnen hatte die Personalratsvorsitzende auch unstrittig ihre Schweigepflicht verletzt. Selbst ohne den ausdrücklichen Hinweis auf die Vertraulichkeit sei es, aufgrund der besonders sensiblen persönlichen Umstände, offenkundig, dass die Informationen nicht dazu bestimmt seien, in der Betriebsöffentlichkeit oder auch nur bei bestimmten Beschäftigten verbreitet zu werden. Für die Verletzung der Schweigepflicht sei es auch unerheblich, ob die Mitteilungen absichtlich oder lediglich spontan geäußert worden sind oder ob mit der Absicht gehandelt wurde, eine andere Person zu diskreditieren bzw. ob diese ehrverletzend seien; denn es werde durch § 10 Abs. 1 Satz 1 PersVG LSA nicht vorausgesetzt, dass die Preisgabe der geschützten Informationen vorbereitet, gezielt oder mit einer bestimmten Absicht erfolge, so dass auch spontane, "herausgerutschte" oder "reflexhafte" Äußerungen erfasst seien. Diese Umstände könnten allenfalls im Zusammenhang mit der Frage eine Rolle spielen, ob es sich um eine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 27 Abs. 3 Satz 1 PersVG LSA gehandelt habe.
Es lag vorliegend nach Auff...